Logo
Aktuell VOR DER PREMIERE

Kopfüber in die Lyrik gestürzt

Das Zimmertheater nimmt mit »Wie ein zarter Schillerfalter« die renovierte Spielstätte Löwen in Betrieb

Peer Mia Ripberger ist Intendant des Zimmertheaters Tübingen und Autor von »Wie  ein zarter Schillerfalter«.  FOTO: KEN WERNER/
Peer Mia Ripberger ist Intendant des Zimmertheaters Tübingen und Autor von »Wie ein zarter Schillerfalter«. FOTO: KEN WERNER/ ZIMMERTHEATER
Peer Mia Ripberger ist Intendant des Zimmertheaters Tübingen und Autor von »Wie ein zarter Schillerfalter«. FOTO: KEN WERNER/ ZIMMERTHEATER

TÜBINGEN. Mit der neuen Inszenierung »Wie ein zarter Schillerfalter« von Peer Mia Ripberger eröffnet das Tübinger Zimmertheater am Samstag, 24. Oktober, um 20 Uhr den »Löwen«. Die Premiere ist ausverkauft, weitere Aufführungen sind bis zum 27. November immer Donnerstag bis Samstag. Mit dem renovierten, modernen Theatersaal mitten in der Tübinger Altstadt verfügt das Theater jetzt über eine große Bühne. Der historische Charme des Saals ist erhalten geblieben. Die Neuproduktion wird mit Choreografien, Kompositionen und Videokunst ein audiovisuelles Erlebnis mit lyrischen Texten, die um die Themen Angst und Habitus kreisen. Dramaturg Ilja Mirsky führte vorab ein Gespräch mit Regisseur und Autor Peer Mia Ripberger.Du eröffnest mit Deiner Produktion die neue Spielstätte. Was bedeutet das für die Inszenierung?

Peer Mia Ripberger: Die inszenatorischen Möglichkeiten profitieren natürlich sehr von der Raumkonfiguration im Löwen: Wir haben eine schöne Spielfläche und gesunde Raumproportionen. Es gibt Möglichkeiten für das Theaterlicht und die Projektionen, die wir in den kleinen Räumen bisher nicht hatten. Und natürlich sind völlig andere szenografische Konzepte machbar. Das fiese Wort mit »C« hat uns aber natürlich sehr beschäftigt, weil diese »große Bühne« durch die restriktiven Abstandsgebote sofort wieder wahnsinnig klein geworden ist. Der Choreograf Edan Gorlicki hat hier eine choreografische Glanzleistung vollbracht, die das komplett vergessen macht. Unsere vier Schauspielerinnen und Schauspieler haben so den Raum und die Akustik sehr schnell in die Körper bekommen, auch mit Unterstützung unserer Sprachcoaches Fabian Eckenfels und Kristin Wunder.

»Wie ein zarter Schillerfalter« erzählt die Gedankenwelt einer Protagonistin, die sich im Spannungsfeld von Selbstentfaltungsimperativ und gesellschaftlichen Distinktionsspielen aufreibt und darüber in eine existenzielle Krise stürzt. Wie viel daran ist Gesellschaftskritik, wie viel ist Soziales Drama, oder trifft es das überhaupt?

 

Ripberger: Das lässt sich so kategorisch nicht beantworten. Wir begleiten die Protagonistin durch sehr ehrliche, zerbrechliche, verwundbare Gedanken. Wir folgen ihrem Bewusstseinsstrom. »Wie ein zarter Schillerfalter« ist ein lyrischer Text, mal strenger und mal freier im Umgang mit dem Versmaß. Mein Zugang zum Schreiben hängt immer davon ab, was im künstlerischen Prozess herausgefunden werden soll. Bei dieser Inszenierung liegt ein besonderer Fokus auf der literarischen Form. Im Shutdown hingen alle Wände voll mit Tafeln, an denen ich Silben gezählt und das Metrum geklopft habe. Diese hybride Reimform, die sich im Textverlauf ein- und ausschleicht, verweist auf die Sprachlosigkeit der Protagonistin angesichts überbordender selbst- oder fremdzugeschriebener Norm-Erwartungen. Auf dieser Ebene ist der Text damit eo ipso Gesellschaftskritik, und nur in dieser Hinsicht auch soziales Drama. Formal ist hier aber nichts dramatisch, weder Text, noch Figuren oder Handlungsverlauf folgen diesem Schema. Wir feiern dieses Jahr die Dichter Hölderlin und Celan, und dass ich mich kopfüber in die Lyrik stürze, hat sicher auch damit zu tun, diesen Autoren und ihrem Schreiben auf die Spur zu kommen und ihnen eine bescheidene Reverenz zu erweisen.

Was bekommt das Publikum zu sehen?

Ripberger: Die Zuschauer sehen tolle Schauspielerinnen und Schauspieler: Anaela Dörre, Mario Högemann, Roman Pertl und Katharina Rehn. Es gibt ein großformatiges Videokunstwerk von Katarina Eckold zu erleben, und ein Bühnen- und Kostümbild von Raissa Kankelfitz, das die Gewandmeisterin Magdalene Buschbeck mit viel Aufwand realisiert hat. Konstantin Dupelius, der bei »WTF 1770 – Hölderlin//Beethoven« reüssierte, hat eine starke Theatermusik komponiert, die eine dichte Atmosphäre erzeugt. Und unsere Technikabteilung erweckt all das mit großer Raffinesse am Samstag erstmals zum Leben. Zur Eröffnung des Löwen darf man also einen großen Bahnhof erwarten. (GEA)

07071 927333 www.zimmertheater-tuebingen.de