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Kleiner Mann mit großem Saxofon-Ton: Klaus Doldinger ist gestorben

Der deutsche Saxofonist Klaus Doldinger ist im Alter von 89 Jahren in Icking bei München gestorben. Seine Bandbreite war erstaunlich.

Klaus Doldinger bei einem Auftritt in Stuttgart.
Klaus Doldinger bei einem Auftritt in Stuttgart. Foto: Jürgen Spiess
Klaus Doldinger bei einem Auftritt in Stuttgart.
Foto: Jürgen Spiess

ICKING. Klaus Doldinger wollte nie »abgehobenen Jazz nach dem Baukastenprinzip« machen. Viel wichtiger war ihm während seiner langen Karriere, die Menschen mit gefühlvoller und emotionaler Musik zu erreichen. So wie im Januar 2015, als er mit seiner legendären Band Passport gemeinsam mit der Württembergischen Philharmonie in der Reutlinger Stadthalle musizierte. Die Stücke dafür hatte er fast alle selbst orchestriert. 2018 kam er gleich noch einmal nach Reutlingen, diesmal nur mit seiner Band Passport. Auch das unvergesslich. Am vergangenen Donnerstag ist Klaus Doldinger, der Vorfahren väterlicherseits in Gammertingen hatte, im Alter von 89 Jahren im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen.

Mehr als 60 Jahre lang war Doldinger dem melodiösen Jazzrock treu ergeben. Mit seinen gefühlvollen Saxofonlinien begeisterte er nicht nur ältere Jazzfans, sondern hatte auch unter jüngeren Musikliebhabern eine treue Fangemeinde. Von ihm stammt unter anderem die »Tatort«-Titelmelodie, mit der Millionen Deutsche das Wochenende ausklingen lassen. Auch für die Musik zu anderen bekannten Krimi-Soundtracks zeichnete er verantwortlich: etwa zu den Fernsehserien »Hecht & Haie«, »Wolff‘s Revier« und »Liebling Kreuzberg« – nach eigenen Aussagen sein Lieblingsstück.

Erfolge als Filmkomponist

Seine unvergessene Filmmusik zum Kriegsfilm »Das Boot« und zu Michael Endes »Unendliche Geschichte« machten ihn weltbekannt. Auch als Jazzmusiker war der in Berlin geborene und in Oberbayern lebende Komponist und Saxofonist schon seit den frühen 50er-Jahren aktiv. Mit seiner 1952 gegründeten Band Feetwarmers spielte er – damals noch als Oberprimaner – traditionellen Jazz. Die Feetwarmers wurden 1960 zur besten deutschen Dixielandband gekürt. Nach einem Musikwissenschafts- und Tonmeister-Studium gründete er 1962 das Klaus Doldinger Quartett, mit dem er bereits durch die USA tourte. Dies war auch die Zeit, als er von der Klarinette aufs Saxofon umstieg. Verkauft hatte es ihm ein Zirkusclown.

Anfang der 70er-Jahre wandte er sich schließlich dem Jazzrock zu, zunächst mit der Gruppe Motherhood und seit 1971 mit der Band Passport, die seitdem mit wechselnden Besetzungen ein konstanter Rahmen seiner Arbeit war. Alben wie »Cross-Collateral« (1975), »Iguacu« (1977) und »Ataraxia« (1978) gelten noch heute als Meilensteine des Jazzrock. 30 Alben veröffentlichte Doldinger mit Passport. Zur Band gehörte in den Anfangsjahren auch Udo Lindenberg als Schlagzeuger. Unter dem Pseudonym »Paul Nero« gab Doldinger zudem rund 15 Alben mit Pop-Arrangements heraus. Sie erschienen unter Titeln wie »Soul Party« und »Abends in der Cocktailbar« und vermischten Soul mit Easy Listening.

Kreativer Grenzgänger

Aber Doldinger war nicht nur in Jazz- und Filmmusik-Kreisen ein gefragter Mann. Auch als Interpret süd- und nordamerikanischer Klänge erwies sich der studierte Musikwissenschaftler als kreativer Grenzgänger. Er konnte rau und kratzig ins Horn blasen; aber meist führte er seine Zuhörer mit dichten Melodielinien in eine musikalische Welt, die ihre Einflüsse von überall her bezog: »Ich war immer auf der Suche nach einprägsamen Melodien und dem eher liedhaften Komponieren«, beschrieb er einmal selbst seine Musik.

Nun ist die Flamme des leidenschaftlichen Jazzers und Ehrenbürgers von New Orleans erloschen. Er wird vielen als Musiker und Mensch fehlen. (GEA)