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Hinweis auf prähistorische Naturfarbproduktion in Blaubeuren

Tübinger Archäologen präsentieren in Blaubeuren einen Stein, mit dem in der Steinzeit Pigmente hergestellt wurden

Nicholas Conard mit dem Originalstein und Grabungsleiterin Maria Malina mit vergrößerten Aufnahmen des gefundenen Objekts. Foto:
Nicholas Conard mit dem Originalstein und Grabungsleiterin Maria Malina mit vergrößerten Aufnahmen des gefundenen Objekts. Foto: dpa
Nicholas Conard mit dem Originalstein und Grabungsleiterin Maria Malina mit vergrößerten Aufnahmen des gefundenen Objekts. Foto: dpa

BLAUBEUREN. Schon die Jäger und Sammler der Altsteinzeit nutzten Naturfarben wie Ocker: Sie bemalten damit Gegenstände und Körper, gerbten Leder, schützten sich vor Insekten und Sonne oder nutzten es als Zusatz im Klebstoff bei der Werkzeugherstellung. Ein unscheinbarer, kleiner Geröllstein von der Schwäbischen Alb gibt nun wichtige Aufschlüsse darüber, wie sie die Farben herstellten.

Professor Nicholas Conard, Leiter der Abteilung Ältere Urgeschichte der Universität Tübingen, hat den Fund aus der Welterbe-Höhle Hohler Fels am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (Urmu) präsentiert. Die Ergebnisse wurden im heute erschienenen Jahrbuch »Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2018« veröffentlicht.

Der Stein ist 7,8 Zentimeter lang, 4,1 Zentimeter dick und wiegt gut 300 Gramm. Rote Farb- und Abriebspuren und Schlagnarben deuten darauf hin, dass er als Schlagstein für die Werkzeugherstellung und als Reibstein zur Farbaufbereitung diente: Offensichtlich rieben die Menschen der Altsteinzeit geeignete Gesteinsbrocken mit solchen Steinen zu feinem Pulver. Anschließend konnte dieses mit Wasser zu einer Paste gebunden und aufgetragen werden. Darauf weisen Steinfunde von der Alb hin, auf die – vermutlich mit kleinen Stöcken – Punktreihen getupft wurden.

»Der Reibestein zählt zu den wenigen Artefakten, die uns über die Bearbeitung und Herstellung von Ockerpulver Auskunft geben«, sagt Professor Conard. »Obwohl wir im Hohlen Fels mehr als 850 Ockerartefakte gefunden haben, sind vergleichbare Stücke, die die Aufbereitung von mineralischen Farbbrocken belegen, hier wie auch im Rest Deutschlands selten.« Derzeit entstehe anhand der Funde aus dem Hohlen Fels die erste tiefergehende Studie zur Ockernutzung über das gesamte Jungpaläolithikum hinweg, in einer Zeitspanne von 44 000 bis 14 500 Jahren vor heute. Hierbei zeichne sich ab, dass unterschiedliche Epochen unterschiedliche Ockertypen bevorzugten. Conard: »Vor etwa 40 000 Jahren wurden hellere Farbtöne bevorzugt, während später die Farbtöne dunkler werden. Ob dies mit der Nutzung neuer Ockerquellen oder mit einer Art neuen Zeitgeschmacks zu tun hat, wissen wir nicht mit Sicherheit.«

Der Reibestein wird bis Anfang Januar im Urmu als »Fund des Jahres« präsentiert – begleitet von anderen Exponaten mit Bezug zu Farbe. Das Urmu bietet in den Sommerferien donnerstags um 11 Uhr ein Sonderprogramm zu diesem Fund an: Am 1., 8. und 15. August können sich Besucher nach einer Führung intensiv mit Ocker und Rötel auseinandersetzen und selbst experimentieren. Am 22. und 29. August sowie am 5. September wird es in einer Schwerpunktführung um das Thema »Rituelles Rot« gehen. Dienstag bis Sonntag ist jeweils um 14.30 Uhr eine Führung zum Welterbe. (eg)

 

www.urmu.de