Logo
Aktuell Bühne

Die Tonne zeigt »Molière. Ein Leben fürs Theater« als Reutlinger Sommertheater

Die Tonne widmet das Reutlinger Sommertheater einem vor über 400 Jahren geborenen Schauspieler und Autor von Komödien: »Molière. Ein Leben fürs Theater« startet am 11. Juli im Spitalhof.

Bereiten das Reutlinger Sommertheater »Molière« vor: Regisseur Enrico Urbanek (von links), Ausstatterin Sibylle Schulze, Autor u
Bereiten das Reutlinger Sommertheater »Molière« vor: Regisseur Enrico Urbanek (von links), Ausstatterin Sibylle Schulze, Autor und Schauspieler Thomas B. Hoffmann, Dramaturgin Alice Feucht und der Vorsitzende des Tonne-Theatervereins Thomas Lambeck. Foto: Christoph B. Ströhle
Bereiten das Reutlinger Sommertheater »Molière« vor: Regisseur Enrico Urbanek (von links), Ausstatterin Sibylle Schulze, Autor und Schauspieler Thomas B. Hoffmann, Dramaturgin Alice Feucht und der Vorsitzende des Tonne-Theatervereins Thomas Lambeck.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. »Tartuffe«, »Der Menschenfeind«, »Der Geizige«, »Der Bürger als Edelmann«, »Der eingebildete Kranke«: Jean-Baptiste Poquelin alias Molière (1622-1673) gilt uns heute als einer der großen Klassiker des Theaters, dem das Verdienst zukommt, die Komödie zu einer der Tragödie potenziell gleichwertigen Gattung gemacht zu haben. Gelacht wird bis heute über seine Figuren. Wer aber war dieser Molière, was prägte seine Zeit, wie waren seine Lebensumstände?

Diese Fragen greift das Theater Die Tonne im diesjährigen Reutlinger Sommertheater »Molière. Ein Leben fürs Theater« auf. Thomas B. Hoffmann, als Schauspieler mit der Tonne seit vielen Jahren verbunden, ist vom Tonne-Theaterverein beauftragt worden, ein Stück über den Komödiendichter zu schreiben. Er wird den Draufgänger, Menschenkenner und Komödianten vom 11. Juli bis zum 4. August auch auf der Bühne verkörpern - bei 18 Aufführungen im Spitalhof unter freiem Himmel; an Tagen, an denen das Wetter nicht mitspielt, im Ausweichspielort Tonne 1.

Zahlreiche Rollenwechsel

Ein Thespiskarren - so bezeichnet man den Wohnwagen wandernder Schauspieler oder eine Wanderbühne - ist Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung mit Molière, die mit einer Gruppe von fünf Schauspielerinnen und Schauspielern beginnt, die sichtbar im Heute angesiedelt sind, wie Dramaturgin Alice Feucht erklärt. Neben Hoffmann sind das Justine Rockstroh, Chrysi Taoussanis, David Liske und Michael Schneider. Ihr Spiel soll in einer Vielzahl von Rollenwechseln kulminieren. Dabei sollen auch immer wieder Dialoge aus Molières Stücken beziehungsweise Anspielungen auf diese vorkommen.

Damit das Ganze auch fürs Publikum gut nachvollziehbar funktioniert, hat Ausstatterin Sibylle Schulze ein Grundkostüm geschaffen, mit deren Hilfe diese Rollenwechsel »durchdekliniert« werden, wie sie sagt. »Sehr menschlich, sehr sinnlich« werde es auf der Bühne zugehen. Dem gebürtigen Berliner Hoffmann ging es beim Schreiben auch darum, der Frage nachzugehen, was es überhaupt bedeutet, in Rollen zu schlüpfen.

Am Hof Ludwigs XIV.

Der Franzose Molière wurde ins Großbürgertum hineingeboren, war Sohn des königlichen Dekorateurs und Raumausstatters. Von klein auf war er fasziniert vom Pariser Jahrmarkttheater. Er schloss sich einer illustren Theatergruppe an, mit der er durch die Provinz zog. »Damit war er für einen bürgerlichen Beruf verloren«, sagt Hoffmann. Nach etlichen Wanderjahren schaffte er es, dass seine Compagnie zur »Troupe du Roi« am Hof Ludwigs XIV. berufen wurde. Doch erwies sich diese von Protz und Prunk geprägte Umgebung auch als »Natter- und Haifischbecken«, wie Hoffmann weiter ausführt. Da zu überleben, »gegen die Intrigen, gegen die Neider, gegen die Konkurrenz«, sei keineswegs selbstverständlich gewesen. »Da war ein Hauen und Stechen, teilweise auch im Wortsinn. Wenn der Kirche oder den Honoratioren etwas nicht gefiel, war man als Schreiber nicht nur schnell unten durch, sondern oft auch an Leib und Leben gefährdet.«

Als Molière im Jahr 1673 nach einem Auftritt als »eingebildeter Kranker« starb, gelang es seiner Frau Armande nur mühsam, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung (allerdings nur bei Nacht) auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde. Denn, wie Hoffmann erklärt, begab man sich damals an den Rand der Gesellschaft, wenn man den Schauspielberuf ergriff. Die dies taten, seien zwar in ihrer Funktion als Unterhalter und Komödianten akzeptiert gewesen. »Aber sie bekamen nicht mal ein christliches Begräbnis, wenn sie dem Komödiantentum nicht abgeschworen hatten.«

Aufführungsinfo

»Molière. Ein Leben fürs Theater« wird bis zum 4. August als Reutlinger Sommertheater gezeigt. Premiere ist am Donnerstag, 11. Juli, um 20 Uhr unter freiem Himmel im Spitalhof, Wilhelmstraße 71. Ausweichspielort bei schlechtem Wetter ist der große Tonne-Saal in der Jahnstraße 6. Informationen zum Spielort gibt es jeweils ab zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn über den Anrufbeantworter des Theaters (07121 93770). (GEA)

www.theater-reutlingen.de

Der im Spitalhof zum Einsatz kommende Thespiskarren ist Leihgabe eines von Enrico Urbanek geschätzten Kollegen aus Bad Pyrmont, der einen solchen vor vielen Jahren hat bauen lassen.

Thomas Lambeck, Vorsitzender des Tonne-Theatervereins, verweist darauf, dass es seit vielen Jahren Anspruch und gelebte Praxis des Vereins ist, »Autorinnen und Autoren zu fördern und dadurch dem Theater zuzuspielen«. Auch dass in Kooperation mit dem Kino Kamino Ende Juni der Film »Molière« von Ariane Mnouchkine aus dem Jahr 1978 gezeigt wurde, ging auf Initiative des Theatervereins zurück. (GEA)