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Aktuell Lehre

Universität Tübingen: Studieren unter Corona-Bedingungen

Das Wintersemester an der Universität Tübingen ist eine Mischung aus Präsenz- und Online-Veranstaltungen.

Studieren zwischen Bildschirm und Hörsaal: In zwei Wochen beginnt das Wintersemester.  FOTO: MARTIN
Studieren zwischen Bildschirm und Hörsaal: In zwei Wochen beginnt das Wintersemester. FOTO: MARTIN
Studieren zwischen Bildschirm und Hörsaal: In zwei Wochen beginnt das Wintersemester. FOTO: MARTIN

TÜBINGEN. Eigentlich wären die Studierenden der Universität Tübingen bereits dieser Tage in die Hörsäle zurückgekehrt. Doch wegen Corona starten die Lehrveranstaltungen offiziell erst am 2. November. Aber wie ist das Wintersemester 2020/21 geplant? Direktoren der Universität geben einen Einblick in die Organisation. Studierende kommentieren, was sie davon halten.

Nach dem kompletten digitalen Sommersemester wünschten sich die Studierenden mehr analogen Kontakt zu ihren Dozenten. Dem will die Universität mit einem neuen Stundenkonzept für Seminare und Vorlesungen entgegenkommen: Ab November wird eine Lehrveranstaltung statt 90 nur noch 60 Minuten dauern. Dreißig weitere Minuten sind asynchron geplant, wird es also aufgezeichnet geben. So soll garantiert werden, dass eine ausreichende Lüftung in den Räumen möglich ist.

Gleichzeitig soll so wieder ein lebendiger Austausch ohne den Bildschirm möglich sein. Die Studierenden müssten sich aber vorher auf ihre Seminare vorbereiten, so Karin Amos, Prorektorin für Studierende, Studium und Lehre. Vor allem Bachelor- und Master-Erstsemester profitieren von diesem Angebot. Sie brauchen besonders den Kontakt zu den Lehrenden und ihren Kommilitonen.

Damit der analoge Kontakt coronakonform funktioniert, finden Seminare in Hörsälen statt. Alternativ wird die Teilnehmerzahl reduziert. Hannah Helferich ist Master-Erstsemester in Erziehungswissenschaft und froh, Präsenzveranstaltungen zu haben. Ob eine Stunde allerdings dazu reicht Texte zu besprechen, ist sie sich nicht sicher.

KEIN STUDIUM GENERALE IM WINTERSEMESTER

Gasthörer können Lehrveranstaltungen online besuchen

Im Wintersemester 2020/21 öffnet sich die Universität Tübingen wieder für interessierte Bürger, die sich als Gaststudierende einschreiben möchten. Im kommenden Semester stehen den Gasthörern nun zumindest Online-Veranstaltungen offen. Interessierte Personen können sich bis zum 2. November über die Studierendenabteilung anmelden. Die Gebühr beträgt weiterhin 50 Euro pro Semester. Im vergangenen Sommersemester hatte die Universität die Gasthörerschaft aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt.

Präsenzveranstaltungen bleiben vorerst regulären Studierenden vorbehalten. »Wegen der einzuhaltenden Abstandsregelungen haben wir in diesem Semester deutlich geringere Raumkapazitäten und können nur kleinere Gruppen für Lehrveranstaltungen zulassen«, begründet Professorin Karin Amos, Prorektorin für Studium, Studierende und Lehre, diese Regelungen.

Die öffentlichen Vorlesungen des Studium Generale bleiben auch im Wintersemester 2020/21 ausgesetzt. »Auch das kommende Wintersemester mit seinem Mix aus Präsenzlehre und Online-Veranstaltungen wird für die Lehrenden erneut zu erheblichen Mehrbelastungen führen«, sagt Prorektorin Amos. »Vor diesem Hintergrund haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, auf das zusätzliche Angebot eines Studium Generale zugunsten des curricular unerlässlichen Lehrangebots zu verzichten.«

Weitere Informationen für alle, die sich als Gasthörer einschreiben wollen, gibt es im auf der Homepage der Universität. (u)

https://uni-tuebingen.de/studium/bewerbung-und-immatrikulation

»Die Seminare werden wahrscheinlich intensiver werden, weil die Dozierenden besser auf die Studierenden eingehen können«, sagt Dietmar Till, Geschäftsführender Direktor am Lehrstuhl für allgemeine Rhetorik. Ob die Diskussionen mit Abstand tatsächlich zustande kommen, müsse man sehen. Der Kontakt spiele aber auf jeden Fall eine wichtige Rolle, weil es durch den Bildschirm eine gewisse Distanz gebe.

Ohne Kontakt geht es auch nicht in den naturwissenschaftlichen Fächern wie der Biologie. Ein fester Bestandteil der Lehre sind Laborpraktika, um mit biologischem Material umgehen zu können. Abstand einzuhalten sei jedoch ein Problem, so Joachim Ostwald vom Institut für Neurobiologie. Studierende dürfen nur einzeln oder im Team mit Maske ins Labor. Einige Versuche wurden komplett herausgenommen. Damit die Lehre nicht leidet, werden parallel zur Laborzeit Veranstaltungen angeboten.

Die Umorganisation der Veranstaltungen sei aufwendig gewesen. Viele Lehrkräfte mussten sich erst einmal in neue Tools einarbeiten. Das kostete Zeit und Engagement. Der Austausch unter den Kollegen sei laut Amos intensiver geworden. Bei der Integration der Digitalität in die Lehre hat auch das Zentrum für Medienkompetenz einen hohen Anteil. Es unterstützt alle Fakultäten bei der Umsetzung der digitalen Lehre. »Die Unis haben weniger Schwierigkeiten auf die digitale Lehre umzustellen, trotzdem ist noch Luft nach oben«, erläutert Susanne Marschall, Direktorin des Zentrums für Medienkompetenz.

Rote Pfeile markieren in der Neuen Aula die Laufwege.  FOTO: MARTIN
Rote Pfeile markieren in der Neuen Aula die Laufwege. FOTO: MARTIN
Rote Pfeile markieren in der Neuen Aula die Laufwege. FOTO: MARTIN

Dass eine optimale digitale Lehre nicht umsonst ist, versteht sich von selbst. Die Gelder vom Land Baden-Württemberg seien für das Sommersemester erst spät gekommen. So musste die Universität Tübingen in Vorleistung gehen, um Lizenzen zu kaufen oder Firmen für Unterstützung zu bezahlen. Die technische Aufrüstung kostete rund drei Millionen Euro. Vom Land werden rund 1,9 Millionen erstattet.

»Das digitale Sommersemester war zwar aufwendiger, aber ich habe mehr gelernt«

Wichtig ist für die Prorektorin Karin Amos wie auch für Lucia Vennarini, Leiterin des Dezernats Studium und Lehre, die Digitalität in der Lehre nicht als Ausnahmesituation ad acta zu legen. Die Digitalität habe auch positive Seiten: Sie werde stärker unterschiedlichen Lerntypen gerecht. Die Studierenden könnten individueller arbeiten. Introvertierte hätten in Chatforen die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen.

Jenny Schwartz studiert im fünften Bachelor-Semester Germanistik. Sie ist positiv angetan vom Online-Studium: »Das digitale Sommersemester war zwar aufwendiger, aber ich habe mehr gelernt, als wenn man im Seminar sitzt und zuhört.« Man sei gezwungen die Aufgaben zum Bestehen des Kurses zu erledigen.

Weil gerade für höhere Semester viele Veranstaltungen online angeboten werden, können sich auch ausländische Studierende weiterbilden. Zudem gibt es für sie ein Angebot an Sprachprogrammen und Vorbereitungskursen. »Die, die in Tübingen sein können, werden auch nicht allein gelassen«, sagt Vennarini. Ein Wohnheimplatz und Vor-Ort-Betreuung sei für ausländische Studierende sichergestellt.

Und falls es zu einem erneuten Lockdown kommt, sei die Universität darauf eingestellt. Der Vorteil des Konzepts: Jede Veranstaltung hat eine digitale Komponente. Trotzdem wünscht sich Amos mehr Vorlauf, wenn es zu neuen Corona-Verordnungen kommt. Auf das Wintersemester blickt sie daher gemischt: etwas ängstlich, aber auch freudig, dass endlich wieder Studierende in den Hörsälen lernen können. (GEA)