Logo
Aktuell ÖPNV

Tübinger Kreistag diskutiert das Zusammenspiel von Bus und Bahn

Damit die Verkehrswende gelingt, muss es vor allem für Pendler attraktive Routen mit sicheren Umsteigemöglichkeiten geben. Welcher Weg dahin der richtige ist, darüber diskutierte jüngst der Tübinger Kreistag.

Bus und Bahn in unmittelbarer Nähe: Am Tübinger Hauptbahnhof treffen die Verkehrsmittel aufeinander.
Bus und Bahn in unmittelbarer Nähe: Am Tübinger Hauptbahnhof treffen die Verkehrsmittel aufeinander. Foto: Alexander Thomys
Bus und Bahn in unmittelbarer Nähe: Am Tübinger Hauptbahnhof treffen die Verkehrsmittel aufeinander.
Foto: Alexander Thomys

TÜBINGEN. Kaum etwas dürfte Pendler mehr verärgern, als wenn der geplante Umstieg nicht klappt, einem der Bus oder die Bahn sprichwörtlich »vor der Nase wegfahren«. Dann heißt es warten, nach neuen Verbindungen suchen und sich von der pünktlichen Ankunft verabschieden. Ist dann noch das Wetter schlecht, wird der ÖPNV zur Qual. Die »Sehr gute Fraktion« (SGF) im Tübinger Kreistag hatte daher den Antrag gestellt, an den neuralgischen Punkten für bessere Umstiegszeiten zu sorgen: Wo Bus und Bahn zusammentreffen, sollte in der Planung der Busfahrpläne eine Umsteigezeit von sechs Minuten plus Zeit für die Fußwegstrecke eingeplant werden, um Pendlern eine sicherere Verbindung zu gewährleisten.

Was an und für sich nach einer guten Idee klingt, wurde von der Kreisverwaltung abgelehnt. Die Grünen-Kreistagsfraktion reagierte auf diese Ablehnung und formulierte einen Kompromissvorschlag. Man unterstütze die Forderungen der SGF, ermögliche mit einem weitergehenden Antrag aber »aus wirtschaftlichen Gründen notwendige Ausnahmen«. Diese seien dann aber im Einzelfall zu begründen. Außerdem forderten die Grünen die Einführung eines digital gestützten Anschlusssicherungssystems. Das bedeutet: Busfahrer sollen auf ihren Displays sehen, wie stark der nächste Zug verspätet ist - und gegebenenfalls Wartekapazitäten nutzen, um den Anschluss für die Zugpassagiere doch noch zu ermöglichen.

»Viele nutzen den Bus nicht mehr, aus Angst vor scheiternden Reiseketten«

»Viele nutzen den Bus nicht mehr, aus Angst vor scheiternden Reiseketten«, begründete Tanja Leinweber den Antrag der SGF. Seien die verlängerten Umsteigezeiten nicht möglich, müsse der Kreistag darüber informiert werden. »Wir wollen die Problempunkte im Kreisgebiet kennen.« Simon Baur (Grüne) nannte eine solche Berichtspflicht »schaffbar und leistbar für die Verwaltung«.

Gabriel Wehle, Abteilungsleiter Verkehr und Straßen im Tübinger Landratsamt, widersprach den Antragstellern: »Es gibt immer Zielkonflikte zwischen sicheren Umsteigezeiten und kurzen Reisezeiten.« Grundsätzlich achte man bei der Planung der Regionalbusse auf eine »möglichst hohe Auslastung und effektive Planung«. Würden die Umsteigezeiten pauschal auf sechs Minuten verlängert, müssten die verlängerten Standzeiten kompensiert werden - etwa indem nicht alle Haltestellen mehr bedient werden würden, »oder mit mehr Fahrzeugen und Personal«. Wehrle nannte ein konkretes Beispiel: Für den bisherigen Stundentakt zwischen Rottenburg und Hirrlingen reiche ein Bus - bei verlängerter Umsteigezeit müsse ein zweites Fahrzeug auf die Strecke geschickt werden. »Oder wir fahren Hemmendorf und Dettingen nur noch abwechselnd an.«

»Themen, die bei der Verwaltung sind, sollten auch bei der Verwaltung bleiben«

Thomas Hösch (FWV) stemmte sich vehement gegen die angekündigten Mehrkosten, wäre der Antrag im Kreistag angenommen worden. »Die Haushaltsrede ist keine 25 Minuten her und wir reden schon wieder über neue Ausgaben - die Mehrkosten auf den Fahrpreis aufzuschlagen, will ja auch keiner.« Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sprach sich gegen den Vorschlag aus. »Für einzelne Fälle mag das gut sein, aber alle anderen müssen sinnlos warten«, merkte Palmer an und ergänzte: »Ich will nicht sinnlos rumstehen.« Ohnehin käme die Bahn in den seltensten Fällen nur wenige Minuten verspätet: »Die Bahn kommt nicht drei oder vier Minuten zu spät, sondern zehn oder 30 - oder sie fährt nur bis Reutlingen Hauptbahnhof.« Der Antrag würde daher »gegen die Interessen der Fahrgäste« gehen. Und Wehle betonte: »95 Prozent unserer Anschlüsse im Busverkehr funktionieren schon jetzt.«

Gegen Lärm im ÖPNV

In einem zweiten Antrag zum Thema ÖPNV forderte die SGF eine finanzielle Sanktionierung von Fahrgästen, die mit ihren Smartphones durch laute Gespräche oder das Abspielen von Musik oder Videos andere Fahrgäste belästigen würden. In den französischen Bahnen der SNCF seien hierfür 200 Euro Strafe vorgesehen. Bisher ist das Abspielen von Tonträgern in den Beförderungsbedingungen des Naldo zwar untersagt, als einzige Saktion könnten die Fahrer aber von einer Beförderung des Fahrgastes absehen - Geldstrafen sind nicht vorgesehen. Auf mehrheitlichen Beschluss des Kreistags wird sich das Landratsamt bemühen, eine entsprechende Änderung der Naldo-Beförderungsbedingungen auf den Weg zu bringen. (ath)

Landrat Dr. Hendrik Bednarz sah in den im Antrag geforderten Erklärungspflichten zudem unnötige Mehrarbeit für die Kreisverwaltung. »Wir sollten Herrn Wehle und seinen Kollegen hier schon Vertrauen entgegenbringen.« Sichere Anschlüsse im ÖPNV seien ohnehin das Ziel der Verkehrsplaner: »Wir reden hier über den Kern dessen, was wir jeden Tag machen.« Es gehe daher um die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung, so Bednarz weiter: »Themen, die bei der Verwaltung sind, sollten bei der Verwaltung bleiben.« Beide Anträge wurden in der Folge im Kreistag abgelehnt, eine Mehrheit fand sich nur für den Grünen-Antrag, die Einführung eines digitalen Anschlusssicherungssystems zu prüfen. (GEA)