TÜBINGEN/WIEN. »Ich bin seit langem Vegetarier, weil ich nicht möchte, dass Tiere sterben. Und wenn ich etwas anderes statt Fleisch essen kann, dann warum denn nicht?«, sagt Noah Ruby aus Hirschau. Kochen habe ihn schon immer fasziniert, berichtet er. Nach seinem Abi am St. Meinrad Gymnasium in Rottenburg strebte der Schwabe daher eine Kochlehre an. Doch er wollte sich ausschließlich auf vegetarische und vegane Gerichte konzentrieren. Eine solche Ausbildung zum Koch gibt es in Deutschland allerdings nicht. In Österreich dagegen kann seit dem 1. Juli 2025 eine offizielle, dreijährige Lehre als Fachkraft für vegetarische Kulinarik absolviert werden. Grund genug für Ruby nach Wien zu ziehen. »In dieser Hinsicht sind wir das Vorreiter-Land«, sagt Kommunikationsmanagerin Anna Battisti. Ihr Mann Stefan Gasser betreibt das Lokal »Freunderlwirtschaft« in der österreichischen Hauptstadt. Seit dem 15. Juli arbeitet dort Ruby und ist der erste Veggie-Kochlehrling Europas.
Noah war im Februar der Erste, der sich um eine Stelle des Kochlehrlings beworben hat. »Weil wir keine Fleischgerichte auf der Karte haben, durften wir bis dahin keinen Koch ausbilden. Da war noch gar nicht sicher, ob die Lehre ins Rollen kommt. Durch die Initiativbewerbung sind wir überhaupt auf den Gedanken gekommen, ein Lehrbetrieb zu werden«, sagt Battisti. Die Qualifizierung zu solch einem Ausbildungsbetrieb passiere nicht von jetzt auf gleich. Es sei ein bürokratischer Prozess. Die Wirtschaftskammer und die Gewerkschaft besuchen den Betrieb und überprüfen, ob alle arbeitsrechtliche Bedingungen gegeben seien. Außerdem müssen die Ausbilder eine Prüfung ablegen.
Gute Zusammenarbeit
Was der Geschäftsfrau besonders imponierte: »Noah war bereit, aus Tübingen zu kommen, um eine Woche bei uns probezuarbeiten.« Nach dem Kennenlernen stand fest, dass die Zusammenarbeit gut klappt. »Er ist für uns eine große Bereicherung«, schwärmt Battisti. Rubys Arbeitstag fängt um 14 Uhr an: Erst wird das Essen zubereitet. Um 17 Uhr öffnet das Restaurant. Bis 21 Uhr werden Bestellungen angenommen. Dann heißt es putzen und Vorbereitungen für den nächsten Tag vornehmen. Dass es in der Küche sehr stressig werden kann, ist kein Geheimnis. »Ich arbeite noch an meinem Tempo«, sagt Ruby. Im November fängt für ihn das Wintersemester an, das heißt sechs Wochen Schule. Im Frühling folgen weitere sechs Wochen Unterricht. Es hat sich einiges in seinem Leben verändert: »In Tübingen war ich viel mit dem Fahrrad unterwegs, hier muss ich mich an das Großstadtleben gewöhnen.«
Am meisten genießt es der angehende Koch, Knödel zuzubereiten. »Ich richte sie auf Krautsalat an, dazu kommen Balsamico, Nüsse und veganer Parmesan.« Für ihn ist es wichtig, dass das Essen schön auf dem Teller aussieht. Er erinnert sich gerne an das allererste Mal, als er das Gericht im Wiener Restaurant probierte: »Das war eine ganz besondere Erfahrung.«
Battisti erläutert: »Unsere Gerichte sind keine Beilage, sondern ein vollwertiges Gericht. Wir sehen uns als moderne Küche und richten uns nicht nur an Vegetarier oder Veganer. Bei uns wird der moderne Lifestyle mit vegetarischem Essen verbunden. Unsere Küche soll nicht die fleischreiche Küche ersetzen, sondern als kreative Ergänzung dienen.«
Vegetarische Kochlehre in Deutschland
»Die Inhalte dualer Ausbildungsberufe werden in den sogenannten Ausbildungsverordnungen geregelt«, sagt Ausbildungsberater Martin Hepper von der IHK Reutlingen. Ein Gremium, bestehend aus Kultusministerium, Arbeitgebern, Verbänden und Berufsschulen, erarbeitet sie. Die Ausbildungsverordnung für den Kochberuf wurde in Deutschland zuletzt im Jahr 2022 überarbeitet. »Das Gremium hat den Trend zur vegetarischen und veganen Küche erkannt und sich damals für eine Kombination aus Ausbildung und Zusatzqualifikation entschieden«, sagt Hepper. Konkreter: »Die Ausbildung zum Koch beinhaltet in Deutschland die ganze Palette des Kochens, also auch die Zubereitung von Fleisch und Fisch.« Eine Spezialisierung ist durch die Zusatzqualifikation »vegetarische und vegane Küche« möglich. Sie wird in der Region Neckar-Alb von der IHK Reutlingen angeboten und kann bereits parallel zur Ausbildung absolviert werden. (ifi)
Digitales und ressourceschondes Arbeiten
Großen Wert legt »die Freunderlwirtschaft« noch auf das digitale Arbeiten in der Küche. Noah lernt beispielsweise, im Internet nach Rezepten zu suchen, sie in der Cloud zu speichern und online gute von schlechten Rezepten zu unterscheiden. Auch ressourcenschonendes Arbeiten wird groß geschrieben. Dabei kommt es darauf an, so wenig Müll wie möglich zu produzieren.
Nach seiner Ausbildung möchte der 20-Jährige erstmal kein eigenes Lokal eröffnen. »Wir sehen für Noah viele Perspektiven nach dieser Lehre. Es gibt genügend Betriebe, die rein vegetarisch kochen«, sagt Battisti. (GEA)


