TÜBINGEN. »Wie verhalte ich mich im Ernstfall?«, fragten sich die 97 Bewohner des Karl-Heim-Hauses, einem Tübinger Studentenwohnheim in der Herrenberger Straße. Deshalb wurde in Absprache mit der Wohnheimleitung ein möglicher Brandfall geübt. Rauch und Feuer im Nachbargebäude beobachtet eine Studentin beim Kochen durch das Fenster, bricht in Panik aus und kippt das heiße Fett über den Gasherd – so das Szenario, das die Feuerwehr annahm. Das besondere Problem bei einem Studentenwohnheim: Hier herrscht ein ständiger Bewohnerwechsel. Deshalb kommen immer wieder neue Mieter, die über die Brandschutzmaßnahmen im Wohnheim informiert werden müssen.
Bis auf den Einsatzleiter der Feuerwehr wusste die Besatzung aus 54 Einsatzkräften, die mit vier Löschgruppenfahrzeugen, einem Einsatzleitwagen und einer Drehleiter anrückte, nicht was auf sie zukommt. Im Ernstfall kämen noch fünf weitere Einsatzfahrzeuge mit Zusatzequipment an Bord für Nachschub hinzu. »Wir sind froh über jedes Übungsobjekt«, sagte Michael Linke, Einsatzleiter der Feuerwehr. »Das Problem in Tübingen ist die hohe Bebauungsdichte und die engen Verhältnisse auf den Straßen, aber wir sind heute gut durchgekommen«, fügte Linke an.
Nebelmaschine simuliert Rauch
Um den Rauch zu simulieren, kam eine Nebelmaschine, wie sie in Diskotheken üblich ist, zum Einsatz. Linke wies auf ein allgemeines Problem in Wohnheimen hin: »Es gibt viele Fehlalarme. Die meisten Bewohner ignorieren diese mittlerweile und kommen nicht aus ihren Zimmern raus. Deshalb möchten wir auch bei diesem Aspekt die Leute sensibilisieren«. Tatsächlich verbinden viele Studierende die Sirenen eines Rauchmelders mit dem vergessenen Essen im heißen Backofen.
Am meisten zu tun hatte der Führer des Fahrzeugs mit der Drehleiter. Über eine Stunde wurden Personen aus allen Etagen über die Fenster gerettet. Die 26,4 Meter lange, ausfahrbare Leiter reichte in diesem Fall sogar bis zum Dach des Vier-Etagen-Hauses. Zur selben Zeit wurden die Rettungswege und Durchgangsbreiten der Türen überprüft und ob die Einsatzkräfte verletzte Personen auf Krankentragen hinausbefördern könnten.
Die Studierenden zeigten sich nach der aufwendigen Übung sichtlich begeistert von der Aktion: »Wir wussten in etwa, was auf uns zukommt, aber wir haben uns nicht vorstellen können, was für ein Rieseneinsatz es wird. Bis heute Abend war uns nicht wirklich klar, wie wir uns zu verhalten haben oder wo überhaupt der Sammelplatz wäre«, sagte eine Studentin. Zum Schluss durften die Nachbarn und Bewohner des Wohnheims mit der Drehleiter hoch hinaus und den Nachtblick über Tübingen genießen.
»Die Feuerwehrübung im Karl-Heim-Haus fand in dieser Form zum ersten Mal statt. Die Erkenntnisse für uns waren neu und bereichernd, wobei die Brandschutzvorschriften jedes Semester bei den Vollversammlungen angesprochen werden«, sagte Hans Günter Jung, Verwaltungsleiter des evangelischen Wohnheims der Landeskirche Württemberg. Im nächsten Jahr erwartet das Wohnheim eine nicht angekündigte Übung. (GEA)