TÜBINGEN. Knapp 400 Menschen protestierten gestern Nachmittag auf dem Tübinger Marktplatz gegen die Invasion der russischen Armee in die Ukraine. Henning Zierock, Gründer der Gesellschaft »Kultur des Friedens« hatte dazu aufgerufen. »Es gibt keine gute und schlechten Völker, es gibt nur gute und schlechte Regierungen«, rief Zierock zu Beginn. Er warnte vor der Hochrüstung des Militärs. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel von der traditionell Russland-freundlichen Linkspartei zeigte sich geschockt: »Krieg darf kein Mittel der Politik sein – egal von wem.« Mit Jens Rüggeberg von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes waren sich alle einig: »Die Waffen nieder!«
Unter den Protestierenden herrschte noch immer Fassungslosigkeit. Louis Hofer aus Rottenburg hielt eine kurzerhand gemalte ukrainische Flagge hoch. Er sagte: Das ist das, was man machen kann – sich solidarisieren, spenden, nicht zufrieden sein." Die Russin Maria Ermonova aus Sankt Petersburg sagte, sie schäme sich. Sie verwies auf ihre Freunde zu Hause, die auch gegen den Krieg protestierten – einige wurden dafür verhaftet: "Eine davon war zum ersten Mal überhaupt bei einem Protest. Sie konnte nicht nichts tun."
Flagge über der Schulter
In der Menge stand Viktor Klochkov, die ukrainische Flagge über die Schultern gelegt und seine aus Russland stammende Frau Ekaterina an seiner Seite. Der Nuklearphysiker, seit 2020 an der Uni Tübingen beschäftigt, stammt aus der Ukraine. Aus Cherson, einer strategisch wichtigen Stadt an der Mündung des Dnjepr ins Schwarzen Meer. Seine Familie habe gestern den Tag im Bunker verbracht.
Sein Vater habe gehört, die Russen würden ihre Verletzten in ukrainische Krankenhäuser bringen, um sie dort behandeln zu lassen. Er fasste die Situation so zusammen: »Wir kämpfen gegen die zweitgrößte Armee der Welt. Wir brauchen Hilfe!« (GEA)