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Tübinger Wissenschafter untersuchen Strategien gegen Trockenheit

Wissenschaftler der Uni Tübingen untersuchen Strategien zum Umgang mit wiederkehrenden Dürreperioden und entdecken den Wert althergebrachter Methoden

Terrassierte Regenwassersammelanlage für die landwirtschaftliche Nutzung in Vilaflor auf Teneriffa.  FOTO: DIERKSMEIER
Terrassierte Regenwassersammelanlage für die landwirtschaftliche Nutzung in Vilaflor auf Teneriffa. FOTO: DIERKSMEIER
Terrassierte Regenwassersammelanlage für die landwirtschaftliche Nutzung in Vilaflor auf Teneriffa. FOTO: DIERKSMEIER

TÜBINGEN. Wald- und Feldbrände, Probleme mit der Trinkwasserversorgung und erhebliche Ernteausfälle – das ist die bisherige Bilanz des Sommers 2018 in weiten Teilen Europas. Naturschutzverbände und Klimaforscher fordern in Reaktion auf die Dürre einen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Die Landwirtschaft müsse sich besser als bisher auf Wetterextreme einstellen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Tübinger Sonderforschungsbereichs (SFB) RessourcenKulturen haben erforscht, wie Agrargesellschaften in der Vergangenheit gelernt haben, mit Hitze und Trockenheit umzugehen und trotzdem erfolgreich zu wirtschaften.

»Wassermangel ist ein Problem, für das es eine Vielzahl historischer Beispiele gibt«, sagt Dr. Laura Dierksmeier, die im Rahmen des SFB-Projektes C05 Inselökonomien der frühen Neuzeit erforscht: »Aber, wie die Geschichte zeigt, gibt es mindestens genauso viele Lösungen. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit kann somit gute Ansätze für die Zukunft liefern.« Die Ressource Wasser sei ein wichtiger Faktor, dessen Verfügbarkeit und gerechte Verteilung nicht zuletzt über sozialen Frieden und Kooperation entscheide.

Als Beispiel für eine Kulturlandschaft, die bereits seit Jahrtausenden mit niederschlagsarmen Sommern zurechtkommt, gelten die Dehesas im Süden der Iberischen Halbinsel. Im interdisziplinären Projekt A02 analysieren Professor Martin Bartelheim, der Sprecher des SFB RessourcenKulturen, und ein Team aus Archäologen gemeinsam mit Ethnologen von der Goethe-Universität Frankfurt unter Leitung von Professor Roland Hardenberg Entstehung und Nutzung der Dehesas.

Die charakteristischen Haine aus Eichen und Olivenbäumen wurden bereits vor etwa 2 800 bis 4 000 Jahren angelegt und haben in diesem Zeitraum sämtliche Klimaveränderungen überstanden. Seit der Bronzezeit grasen einheimische Nutztierrassen wie Ibérico-Schweine, Merino-Schafe oder Retinta-Ziegen und -Kühe in den Dehesas. Tiere und Landschaft sind ideal an die klimatischen Bedingungen angepasst. Während die Bäume dafür sorgen, dass der wenige Regen, der in Andalusien und der Extremadura fällt, langsam ins Grundwasser sickern kann und nicht sofort verdunstet, verhindern die Weidetiere ein Zuwuchern der Kulturlandschaft mit Sträuchern und Gebüsch, was der Gefahr von Waldbränden vorbeugt.

2 800 Jahre alte Zisternen

Auf den italienischen Inseln Linosa und Pantelleria untersuchen die Archäologen Dr. Frerich Schön und Hanni Töpfer unter Leitung von Professor Thomas Schäfer im Projekt B05 über 100 Wasserzisternen und legen diese teilweise frei. Die Zisternen zwischen fünf und 100 Kubikmeter Größe wurden von punischen Siedlern ab dem 8. Jahrhundert vor Christus in den Fels gehauen und unter römischer Herrschaft nochmals erweitert. Einige dieser unterirdischen Trinkwasserspeicher versorgen die Inselbevölkerungen bis heute mit Wasser. Dies war eine wichtige Lösung, um den mühseligen Transport von Wasser zu erleichtern. Wasser an einem an einem kühlen und sauberen Ort zu speichern, beugt auch einer Belastung mit Bakterien vor. Bei starken Regenfällen verhindern Zisternen außerdem Bodenerosion, indem sie überschüssiges Wasser sammeln.

Auch die Auswirkungen von anhaltender Wasserknappheit auf die betroffenen Gesellschaften werden von den Tübinger Wissenschaftlern erforscht. So untersucht die Historikerin Dr. Laura Dierksmeier die ökonomischen und sozialen Auswirkungen von Wassermangel in Inselgesellschaften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Gerade Inseln weisen oft einen Mangel an Quellen, Flüssen und Grundwasser auf.

Dabei konnte Dierksmeier einen deutlichen Zusammenhang zwischen Einkommensniveau und dem Zugang zu sauberem Trinkwasser feststellen. Auf den Kanaren und Balearen führte das zu sozialen Spannungen, Konflikten und Kriminalität. Krankheiten brachen aus, da Wasser für die Sauberhaltung von Krankenhäusern und die persönliche Hygiene fehlte, was vor allem Kinder und ältere Menschen traf. Um dies abzumildern, wurden Wasserkontingente an Privatpersonen verkauft. Ursprünglich dadurch die knappe Ressource bei denen landen, die sie am meisten benötigten, führte aber dazu, dass aus dem öffentlichen Gut eine Ware wurde, die an den Meistbietenden versteigert wird. (u)