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Tübinger Narkosearzt wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Ein 54-jähriger Patient starb im Oktober 2016 nach einer Operation in der Tübinger Zahnklinik. Mit schuld daran soll der Anästhesist gewesen sein, der damals die OP überwachte.

Das Land- und Amtsgericht Tübingen
Das Land- und Amtsgericht Tübingen. Foto: Sina Schuldt/Archivbild
Das Land- und Amtsgericht Tübingen. Foto: Sina Schuldt/Archivbild

TÜBINGEN. Zu einer Haftstrafe von neun Monaten hat am Dienstag das Tübinger Amtsgericht einen ehemaligen Anästhesisten der Tübinger Zahnklinik verurteilt, der am 20. Oktober 2016 bei einer siebeinhalbstündigen OP in der Zahnklinik für die Narkose verantwortlich gewesen war. Bei dieser Operation erlitt der Patient einen Herzstillstand. Er konnte reanimiert werden, starb später aber wegen schwerer Hirnschädigungen, die er nach dem Kollaps davongetragen hatte. Die Strafe gegen den Anästhesisten setzte Richterin Anja Esperschidt zur Bewährung aus. Dem Angeklagten legte sie noch eine Geldstrafe von 10.000 Euro auf.

Zum damaligen Zeitpunkt setzten die Ärzte in der Tübinger Zahnklinik auf Propofol als Narkosemittel. Diese Praxis wurde sonst in Deutschland an keiner anderen Uniklinik angewandt. Dieses Mittel führt dazu, dass der Patient nach der OP schneller wieder auf den Beinen ist und eine aufwendige Nachüberwachung der Klinik entfällt. Der Einsatz von Propofol sei aber mit einem hohen Risiko behaftet und müsse entsprechend überwacht werden, sagte die Richterin.

Während der Operation sanken die Sauerstoffsättigungswerte im Blut des Patienten stark. Auch eine zusätzliche Sauerstoffgabe besserten diese Werte schließlich nicht. Schuld daran sei möglicherweise eine stille Aspiration gewesen, durch die unbemerkt Flüssigkeit in die Lunge des 54-Jährigen gelangt sei. Der Anästhesist hätte spätestens dann reagieren müssen, als sich die Werte nicht gebessert hätten. Vielleicht habe sich der Arzt in falscher Sicherheit gewiegt, weil zuvor bei über 1000 Operationen dieser Art alles gut gegangen sei. Der Tod des Patienten sei vermeidbar gewesen, urteilte die Richterin Esperschidt, »das hätte so nicht passieren dürfen«. (GEA)