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Aktuell Archäologie

Tübinger Forscher entdecken Palast aus dem Mittani-Reich

Tübinger Wissenschaftler finden Keilschrifttafeln und Wandmalerei aus der Bronzezeit

Engagierter Einsatz bei der Rettungs-Grabung am Ufer des Mossul-Stausees, nachdem Teile des Palasts von Kemune zugänglich wurde
Engagierter Einsatz bei der Rettungs-Grabung am Ufer des Mossul-Stausees, nachdem Teile des Palasts von Kemune zugänglich wurden. Foto: Universität Tübingen
Engagierter Einsatz bei der Rettungs-Grabung am Ufer des Mossul-Stausees, nachdem Teile des Palasts von Kemune zugänglich wurden. Foto: Universität Tübingen

TÜBINGEN. Deutsche und kurdische Archäologen haben am Ostufer des Tigris in der Region Kurdistan-Irak einen Palast aus der Bronzezeit entdeckt. Wie das internationale Forscherteam berichtete, lässt sich die Anlage am Fundort Kemune in die Zeit des Mittani-Reiches datieren, das vom 15. bis 14. Jahrhundert vor Christus weite Teile Nordmesopotamiens und Syriens beherrschte. Das Reich von Mittani ist einer der am wenigsten erforschten Staaten des Alten Orients.

Im Herbst 2018 brachte der sinkende Wasserspiegel des Mossul-Stausees im Nordirak unerwartet Überreste einer antiken Stadtanlage zum Vorschein. An den vom Wasser freigespülten, offenliegenden Ruinen wurde spontan eine archäologische Rettungsgrabung unternommen. Diese wurde im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der Uni Tübingen mit der Kurdistan Archaeology Organization (KAO) in Zusammenarbeit mit der Antikendirektion Duhok gemeinsam von Hasan Ahmed Qasim (Duhok) und Ivana Puljiz (Tübingen) geleitet.

»Der Fund ist eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte in der Region«, sagte der kurdische Archäologe Hasan Ahmed Qasim. Wie Ivana Puljiz vom Tübinger Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) berichtete, handelt es sich um ein planmäßig angelegtes Gebäude mit massiven, bis zu zwei Meter dicken Innenmauern aus Lehmziegeln. Einige Wände seien mehr als zwei Meter hoch und die Innenräume teilweise verputzt. »Wir haben zudem Reste von Wandmalereien in leuchtenden Rot- und Blautönen gefunden«, sagte Puljiz. »Wandmalereien dürften im zweiten Jahrtausend vor Christus typisch für Paläste gewesen sein, sie haben sich aber nur sehr selten erhalten.«

Wie Puljiz berichtete, sind die Überreste des Palastes mindestens sieben Meter hoch erhalten. Klar erkennbar seien zwei Nutzungsphasen, die anzeigen, dass das Gebäude über einen sehr langen Zeitraum benutzt wurde. Im Inneren des Palastes konnte das Team mehrere Räume identifizieren, von denen acht teilweise ausgegraben wurden.

Tontafeln werden übersetzt

In den Palasträumen wurden zehn mittanische Keilschrifttafeln aus Ton entdeckt, die momentan von der Philologin Betina Faist (Universität Heidelberg) übersetzt und ausgewertet werden. Der Inhalt einer Schrifttafel deutet darauf hin, dass der Ort Kemune höchstwahrscheinlich die alte Stadt Zachiku war, die bereits in einer altorientalischen Quelle der Mittleren Bronzezeit (rund 1800 vor Christus) genannt ist. Dies würde bedeuten, dass die Stadt mindestens 400 Jahre bestanden hat.

Der Palast stand während des Altertums auf einer Anhöhe am Rand des Flusstales, die vor der Flutung des Stausees nur 20 Meter vom Ostufer des Tigris entfernt gelegen war. (u)

DAS REICH VON MITTANI

Das Reich von Mittani erstreckte sich vom 15. Jahrhundert bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts vor Christus von der Mittelmeerküste bis in den Osten des heutigen Nord-Irak. Das Kerngebiet befand sich im heutigen Nordost-Syrien. Akkadische Keilschrifttexte aus dem Fundort Tell el-Amarna im heutigen Ägypten zeigen, dass die mittanischen Könige auf Augenhöhe mit den ägyptischen Pharaonen und den Großkönigen von Hatti und Babylonien interagierten. Beispielsweise ist bekannt, dass der mittanische König Tuschratta seine Tochter dem Pharao Amenophis III. zur Frau gab. Um 1350 vor Christus verlor Mittani seine politische Bedeutung. (u)