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Aktuell Prozess

So gingen die bundesweit agierenden Computer-Betrüger vor

Betrüger ergaunerten mit gestohlenen Pässen bei Versandhäusern hochwertige Waren. Auch in der Region aktiv

Justitia. Foto: Frank Rumpenhorst/Illustration
Justitia. Foto: Frank Rumpenhorst/Illustration
Justitia. Foto: Frank Rumpenhorst/Illustration

TÜBINGEN. Mit gefälschten Identitäten orderten die Männer bei Versandhäusern hochwertige Waren. Sie passten dann die Paketboten vor der Haustür der angeblichen Besteller ab und steckten Smartphones, Taschen oder Uhren selbst ein. Die Bande operierte bundesweit und richtete einen großen Schaden an. Einer der Betrüger wurde in Reutlingen geschnappt. Danach begannen die Ermittlungen. Derzeit müssen sich sechs der mutmaßlichen Täter wegen bandenmäßigen Computerbetrugs vor dem Tübinger Landgericht verantworten.

Wie die Männer vorgingen, beschrieb der Ermittlungsführer der Polizei vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts. So benutzte die Bande für ihre Betrügereien gestohlene niederländische Pässe. Im Internet besorgten sie sich alle notwendigen personenbezogenen Daten zu den Dokumenten. Über einen gefakten E-Mail-Account bestellten sie dann die Waren, meist Apple- oder Samsung-Handys sowie Gucci-Taschen.

Durchbruch in Reutlingen

Die Daten wirkten so echt, dass die Versandhäuser keinen Verdacht schöpften. Mit der Bestellung legten die Täter auch eine Wunschzeit für die Lieferung fest oder sie verfolgten über das Internet die Zustelldetails. Wenn dann die Paketboten auftauchten, waren auch die Betrüger zur Stelle und nahmen das Paket mit den gefälschten Ausweisen in Empfang. In einigen Fällen konnten sie auch Paketboten überreden, bei den Betrügereien mitzumachen, was die Sache einfacher und risikoloser machte.

Der Durchbruch bei der Aufklärung gelang den Ermittlern in Reutlingen. Dort nahm die Polizei einen Mann mit einem gestohlenen niederländischen Pass fest. Über die ausgelesenen Daten auf seinem Handy stieß die Kripo auf einen E-Mail-Account, den sie mehrere Monate überwachte. Mehr und mehr zeigte sich, wie die mutmaßlichen Täter vorgingen. Die Polizei in Essen, Hamburg und Dresden wurde mit ins Boot der Ermittler geholt.

So erfuhr die Polizei auch, dass die Betrüger arbeitsteilig vorgingen. Ein Teil der Bande war für die Bestellungen zuständig, ein anderer sorgte für die gefälschten Pässe und ein dritter tauchte vor Ort auf, um die Pakete in Empfang zu nehmen. Die Ermittlungen waren äußerst umfangreich.

103 Taten angeklagt

In Tübingen sind nun 103 Taten angeklagt. Auch in der Region war die mutmaßliche Bande unterwegs. Die Tatorte liegen in Tübingen, Reutlingen, Metzingen, Ofterdingen und Nehren. Den Schaden hatten meistens nur die Versandhäuser, nicht die reingelegten Kunden.

Die Angeklagten sind zwischen 18 und 33 Jahren alt. Fünf von ihnen sitzen bereits längere Zeit in Untersuchungshaft. Bisher hat das Gericht noch sechs weitere Verhandlungstage bis Ende August angesetzt.

Der Prozess könnte sich aber noch wesentlich länger ziehen, wenn die Strafkammer in alle Details der Betrugsserie einsteigen muss, wenn sie zum Beispiel jeden einzelnen Betrogenen laden und die Chatprogramme auf den Handys der Angeklagten im Rahmen des Prozesses vorlesen muss.

Kürzer könnte das Verfahren dagegen werden, wenn alle Angeklagten auf einen Vorschlag des Gerichts eingingen. Sie müssten umfangreiche Geständnisse ablegen und könnten dann im Gegenzug mit milderen Strafen, die zwischen zwei Jahren und vier Jahren und drei Monaten liegen würden, rechnen. Diese Variante ist bisher allerdings noch nicht in Sicht. (GEA)