MÖSSINGEN. Im Herbst 2023 wurden in der Pausa Werke der Künstlerin Marieluise Bantel ausgestellt. Zwei Besucherinnen indes waren nicht von deren Werken, sondern auch von den Räumlichkeiten der alten Textildruckerei begeistert. Sie waren Künstlerinnen der Reutlinger Künstlerinnenvereinigung Gedok - und bei ihrer Begeisterung für die inspirierenden Räume in der Pause blieb es nicht. Sie wandten sich an Dr. Franziska Blum, Leiterin des Stadtmuseums Mössingen: Ob die Gedok nicht auch in der Pausa ausstellen könnte. Blum zeigte sich hierfür spontan offen. »Die Verabredung war, dass sich alle Werke auf die Themen Pausa und Textil einlassen sollten«, erinnert sich die Museumsleiterin. »Daraus sind dann das Projekt und jetzt diese Ausstellung geworden.«
»Die Verabredung war, dass sich alle Werke auf die Themen Pausa und Textil einlassen sollten«
Ein langer Arbeitsprozess folgte. Die interessierten Künstlerinnen - die Reutlinger Gedok-Gruppe organisiert fast 100 Frauen - erhielten eine ausführliche Führung über das Pausa-Areal und Hintergrundwissen zur Geschichte der früher weltbekannten Textildruckfirma. Und: Auch Material, um Kunst zu schaffen. Aussortierte Pappröhren aus der Rotationsmaschine etwa, die unter dem Titel »Musterrollen - Rollenmuster« zu neuen Kunstwerken wurden. Hier zeigt sich auch der Charme des wiederbelebten Pausa-Areals: Während außen an den Säulen die modernen Kunstwerke sichtbar sind, zeugt ein Blick ins Innere von der früheren Funktionalität der Papprolle, sichtbar sind etwa noch Stempel mit dem Produktionsdatum 1985.
Bemerkenswert ist dabei auch eine Stele, die eine prächtige Blumen- und Tierwelt darstellt, in kräftigen Farben und Goldtönen. Die Motivvorlage erhielt Künstlerin Bettina Casabianca von der früheren Pausa-Designerin Renata Schulz - und ergänzte sie um eigene Ideen. Die Berlinerin Schulz, die 1971 gemeinsam mit ihrem Mann einem Ruf an die Pausa folgte, war die am längsten dort tätige Designerin in fester Anstellung. Für dieses Kunstwerk traf sich Casabianca mit der Seniorin - und tauchte so besonders tief in die Pausa-Geschichte ein.
»Kontakt mit Kunst und Offenheit für Ästhetik helfen, sich vom Alltagstrott zu lösen. «
Insgesamt präsentiert die Ausstellung Werke von 24 Künstlerinnen. Exponate eingereicht hatten insgesamt 30 Künstlerinnen - doch sechs kamen nicht zum Zug. »Es gab eine harte Jury«, berichten Blum und die Gedok-Vertreterin Dr. Kathrin Fastnacht. Insgesamt, so Blum weiter, habe man ein Drittel der eingereichten Kunstwerke nicht berücksichtigt. »Kriterien waren die künstlerische Qualität, die Passung zum Thema und zueinander und natürlich zur Raumsituation«, ergänzt Fastnacht. Gezeigt werden ganz unterschiedliche Kunstwerke, von klassischen Bildern über Fotomontagen bis hin zu Glas- und Porzellankunst. Teile der umfangreichen Stoffsammlung der Pausa werden gezeigt - und deren Interpretation durch die heutigen Künstlerinnen. Die Pausa-Sammlung mit über 88.000 Stoffmustern hat auch Fastnacht beeindruckt: »Hier gibt es noch viel mehr Schätze, die gehoben werden müssten.«
Ins Auge fällt auch eine Installation mit zwei leeren Stühlen, die zwischen unzähligen Garnspulen stehen - der Stoff verbindet die leeren Stühle mit einem Foto der Familie Löwenstein - die beiden Brüder waren als jüdische Unternehmer 1936 gezwungen worden, die Pausa zu verkaufen - weit unter dem eigentlichen Marktwert. »Wie Spinnweben legen sich die Fäden der Pausa-Garnspulen über die Installation - als Symbol für das jahrzehntelange Vergessen, Verdrängen und die nicht thematisierte Vertreibung«, heißt es im Ausstellungskatalog zu dem Werk »Artur und Felix Löwenstein« von Elke Pikkemaat.
»Die Kunst der Pausa inspiriert und erschafft neue Kunst«, freut sich Mössingens Oberbürgermeister Michael Bulander angesichts der neuen Ausstellung, die zahlreiche Künstlerinnen aus Reutlingen und der Region in die Pausa führte. Und Barbara Krämer, die Vorsitzende der Gekok, die im kommenden Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiert, ist überzeugt: »Kontakt mit Kunst und Offenheit für Ästhetik helfen, sich vom Alltagstrott zu lösen. Wer sich darauf aktiv einlässt, fühlt sich inspiriert und bewegt. Beschäftigung mit Kunst weitet den Geist.« Dazu wird in der Pausa-Tonnenhalle nun reichlich Gelegenheit sein. (GEA)
Ausstellungseröffnung am Sonntag
Die Vernissage zur Ausstellung »Am Puls der Pausa« beginnt am Sonntag, 19. Oktober, um 11 Uhr in der Pausa-Tonnenhalle am Löwensteinplatz 1. Mössingens Oberbürgermeister Michael Bulander und die Vorsitzende der Künstlerinnenvereinigung Gedok, Barbara Krämer, werden Grußworte halten, ehe Museumsleiterin Dr. Franziska Blum und die künstlerische Projektleiterin Dr. Kathrin Fastnacht in die Ausstellung einführen werden. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom Zungenbrecher-Quartett der Jugendmusikschule Steinlach mit der afrikanischen Suite »Ixesha« von Sören Sieg.
Die beteiligten Künstlerinnen sind Uta Albeck, Maria Brunner-Heber, Eva Funk-Schwarzenau, Gisella Codara, Bettina Casabianca, Heidi Degenhardt, Eva Doelker-Heim, Christine Dohms, Kathrin Fastnacht, Ingrid Gebhardt, Angela Hammer, Birgit Hartstein, Annette Hecht-Bauer, Margarete List, Xenia Muscat, Elke Pikkemaat, Renate Quast, Susanne Reusch, Gerburg Stein, Jaqueline Wanner, Antje Weiß, Monika Wibmer, Roswitha Zeeb und Christine Ziegler. Die Ausstellung wird bis zum 12. April 2026 gezeigt, weitere Informationen zum umfangreichen Begleitprogramm der Ausstellung gibt es unter www.moessingen.de oder www.pausa-sammlung.de. (ath)



