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Palmer nimmt Kimmich in Schutz und kritisiert Impfzwang durch die Hintertür

Joshua Kimmich ist noch nicht geimpft. Seine Begründung löste einen Shitstorm aus. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer nimmt den Fußballer in der Sendung »Maybrit Illner« in Schutz und kritisiert, dass auf Ungeimpfte durch die Hintertür Druck ausgeübt wird.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (links) diskutiert mit hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher.
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (links) diskutiert mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher. Foto: ZDF/Svea Pietschmann
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (links) diskutiert mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher.
Foto: ZDF/Svea Pietschmann

TÜBINGEN. Wenn im Fernsehen ein Corona-Talk ansteht, ist ein Mann beinahe Stammgast: der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Am Donnerstag war er gleich in zwei Sendungen zu sehen. Bei »Viertel nach Acht« auf Bild-TV und anschließend bei »Maybrit Illner« im ZDF, wo mit Peter Tschentscher (Erster Bürgermeister Hamburg), Alena Buyx (Vorsitzende Deutscher Ethikrat), Sibylle Katzenstein (Ärztin), Jonas Schmidt-Chanasit (Virologe) und Johannes B. Kerner (Moderator) diskutierte. Es ging um den ungeimpften Fußballer Joshua Kimmich, einen Impfzwang, die Corona-Regeln und das Auslaufen der nationalen Notlage. Themen, bei denen Palmer wie so oft in der Pandemie, eine andere Meinung vertritt, als die allgemein vorherrschende. Ein Überblick seiner wichtigsten Aussagen.

Ist die Diskussion um den ungeimpften Fußballer Joshua Kimmich schräg?

»Ich bin kein Fußball-Experte«, antwortete Palmer. Eine Aussage, die er später noch eindrucksvoll unterstrich, indem er behauptete, Tübingen würde »in der untersten Liga spielen«. Vermutlich sehr zum Unmut der TSG Tübingen, die sich aktuell wacker in der Verbandsliga schlagen. Mit Shitstorms habe er hingegen einige Erfahrungen, konstatierte er im Hinblick auf die Debatte um Joshua Kimmich. Er ist der Meinung, dass diese Gesellschaft zu leicht in Erregung gerate. »Da hat einer etwas gesagt, was empirisch falsch ist. Seine Bedenken kann man sachlich widerlegen und dann wäre für mich die Debatte zu Ende«, so Palmer.

Kimmich solle man außerdem eines zugute halten: »Er hat ja nicht von einer Tatsache gesprochen, sondern darauf hingewiesen, dass es Totimpfstoffe schon lange gibt und die erprobt sind. Also eine alte Produktklasse von der er meint, es gibt kein Risiko auf lange Sicht.« Die neue Produktklasse, die ja unter anderem in Tübingen entwickelt worden sei, könne logischerweise keine Langzeitstudien haben, weil die erst seit einem Jahr im Einsatz sei.

Lassen sich Menschen aus reinem Protest nicht impfen?

Laut Palmer gibt es diese Menschen ganz ohne Zweifel. Dass sie sich nicht impfen lassen, sei oft eine Trotzreaktion. »Und an manchen Punkten verstehe ich das sogar, weil ich diesen verdeckten Impfzwang selber nicht gut finde«, sagte Palmer und ergänzte: »Wenn Ungeimpfte am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen düfen, wird das als Impfzwang wahrgenommen.« Analog zur Masernimpfung wäre es aus seiner Sicht ehrlicher zu sagen, wir haben einen Impfzwang. Wenn man keinen habe, dürfe man aber auch nicht versuchen, über die Hintertür Druck auszuüben. »Das erzeugt Gegendruck, deswegen halte ich das für unklug«, so Palmer. Er vertritt die Meinung, dass sich Menschen mit Anreizen und Überzeugung eher impfen lassen würden, als mit Druck.

Die Mitglieder der Talkrunde (von links): Boris Palmer, Alena Buyx, Maybrit Illner, Peter Tschentscher, Sibylle Katzenstein. Zug
Die Mitglieder der Talkrunde (von links): Boris Palmer, Alena Buyx, Maybrit Illner, Peter Tschentscher, Sibylle Katzenstein. Zugeschaltet waren (von links): Jonas Schmidt-Chanasit, Johannes B. Kerner. Foto: ZDF/Svea Pietschmann
Die Mitglieder der Talkrunde (von links): Boris Palmer, Alena Buyx, Maybrit Illner, Peter Tschentscher, Sibylle Katzenstein. Zugeschaltet waren (von links): Jonas Schmidt-Chanasit, Johannes B. Kerner.
Foto: ZDF/Svea Pietschmann

Verstehen die Menschen die Corona-Regeln?

Palmer gab zu, keinen Überblick mehr darüber zu haben, welche Regeln in den einzelnen Bundesländern gelten. »Ich muss mich sehr bemühen, sie in meinem Bundesland zu verstehen, weil ich sie ja auch umsetzen soll.« Man sei schon wieder im Bereich der Detailregelungen, wo der Praktiker an der Front sagt: »Leut isch des jetzt wirklich durchdacht und angemessen oder kommen wir nicht wieder in ganz komische Situationen?« Sein Beispiel: Beschäftigte, die Außenkontakt haben, sind verpflichtet, sich zwei Mal pro Woche testen zu lassen. Gleichzeitig darf der Arbeitgeber aber nicht wissen, ob sie sich testen. »Wie so eine Testpflicht funktionieren soll, finde ich schwer verständlich«, sagte Palmer.

Soll die nationale Notlage aufgehoben werden?

Der Tübinger OB outete sich ganz klar als Befürworter: »Ich finde, der Beschluss sollte auslaufen, denn die Balance zwischen Freiheit und Gesundheitsschutz muss gewahrt bleiben.« Es sei außerdem wichtig, der Bevölkerung zu sagen, »da sind keine Politiker am Werk, die den patriarchalen Obrigkeitsstatt wollen und möglichst viele Kompetenzen an sich ziehen und uns dauend gängeln«. Menschen müssten sehen, dass Politiker ihnen die Freiheiten auch wieder zurückgeben. Er glaube auch nicht, dass die Bürger die Aufhebung der nationalen Notlage als falsches Signal verstünden. Die Botschaft sei einfach: »Leude, die nationale Notlage isch vorbei, aber es isch immer noch ernscht!« (GEA)