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Aktuell Forschung

Neues aus der Jungsteinzeit bei Ammerbuch-Pfäffingen

Archäologische Ausgrabungen bei Ammerbuch-Pfäffingen bringen Gräben und Bestattungen aus dem 6. Jahrtausend vor Christus ans Licht

Hockerbestattung einer Frau bei  Ausgrabungen in Ammerbuch:  Archäologische Ausgrabungen bei Ammerbuch-Pfäffingen bringen  Gräbe
Hockerbestattung einer Frau bei Ausgrabungen in Ammerbuch: Archäologische Ausgrabungen bei Ammerbuch-Pfäffingen bringen Gräben und Bestattungen aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. ans Licht. Foto: Brandstaetter
Hockerbestattung einer Frau bei Ausgrabungen in Ammerbuch: Archäologische Ausgrabungen bei Ammerbuch-Pfäffingen bringen Gräben und Bestattungen aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. ans Licht. Foto: Brandstaetter

TÜBINGEN. Forscher haben bei Ammerbuch-Pfäffingen Überreste einer Siedlung aus der Jungsteinzeit entdeckt. Das teilt das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart gemeinsam mit der Uni Tübingen in einer Pressemitteilung mit. Bei gemeinsamen Forschungsgrabungen wurden im Bereich einer großen Siedlung der ältesten bäuerlichen Kultur in Mitteleuropa (Linearbandkeramik, 2. Hälfte 6. Jahrtausend vor Christus) bei Ammerbuch-Pfäffingen neue Siedlungsstrukturen aufgedeckt.

Analysen der Funde geben neue Einblicke zum Beginn von Ackerbau und Viehzucht in Südwestdeutschland. Die damit verbundene sesshafte Lebensweise bietet die Grundlage für die Entwicklung neuer Kulturtechniken, die unser heutiges Leben prägen.

Durch die laufenden archäologischen Grabungen konnte die Anlage eines Grabens bereits auf Beginn des 53. Jahrhunderts vor Christus bestimmt werden. Die Verfüllung dieser Siedlungsumfassung mit dem Schutt von abgebrannten Häusern und mit großen Mengen verkohlter Getreidekörner deuten auf ein einschneidendes Ereignis während der frühen Phase des Dorfes hin.

Im Laufe des 52. Jahrhunderts vor Christus wurde das Siedlungsareal dann offenbar auch als Bestattungsplatz genutzt. Bereits bei den Grabungen im Vorjahr konnte das Grab eines drei bis vierjährigen Mädchens identifiziert werden, das in einer Nische innerhalb des Grabens in Hockerlage bestattet worden ist. Aus der Verfüllung des Grabens stammt auch der Schädel einer weiteren Person. Während der Grabungskampagne im Frühjahr dieses Jahres wurde nun das Grab einer Frau, die im Alter von 30 bis 40 Jahren verstorben ist, entdeckt und dokumentiert. Aufgrund von Radiokarbonmessungen kann das Alter dieser Bestattung nun ebenfalls in das 52. Jahrhundert vor Christus eingeordnet werden.

Halsschmuck gibt Hinweise

Die Tote trug am Hals eine Kette aus 16 kleinen, doppelkonischen marmorartigen Kalksteinperlen, die in dieser Form aus der frühen Jungsteinzeit in Süddeutschland bislang nicht bekannt waren und die hohe Kunstfertigkeit und Sorgfalt bei der Schmuckherstellung belegen. Großräumig lassen sich diese Perlen allerdings mit Funden aus dem Karpatenbecken und dem Balkanraum vergleichen, also denjenigen Gebieten, aus denen die ersten Bauern mit ihren Haustieren und Kulturpflanzen nach Mitteleuropa eingewandert sind. Dass der Prozess der Sesshaftwerdung in Mitteleuropa zum Großteil auf die Einwanderung einer neuen Bevölkerungsgruppe zurückzuführen ist, bestätigen genetische Analysen am menschlichen Skelett. Welche Rolle der einheimischen, mesolithischen Bevölkerung zukam, die nachweislich noch sehr lange in der Region als Jäger und Sammler lebten, ohne allerdings die neuartige Wirtschaftsweise zu übernehmen, wird Gegenstand der weiteren Untersuchungen der jungsteinzeitlichen Siedlung sein.

Von den Siedlungsresten wurde eine Serie neuer Radikarbon-Datierungen erstellt, die zusammen mit dem Fundmaterial die Grundlage für ein Entwicklungsmodell der Besiedlungsabfolge in der Region bietet. Die Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte der ersten sesshaften Bevölkerungsgruppen im Oberen Neckar- und im Ammertal steht beispielhaft für die Neolithisierung Mitteleuropas und hilft zu verstehen, wie sich die heutige Art zu leben durchsetzen konnte. (a)