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Mössinger Urgestein Otto Belser im Alter von 91 Jahren gestorben

Er wurdeauch als der letzte »rote Mössinger« bezeichnet. Otto Belser hat seine Spuren in der Geschichte der Stadt hinterlassen.

Otto Belser vor einem Plakat in einer Ausstellung, das ihn selbst als junger Stoffdrucker zeigt. Das Pausa-Urgestein ist jetzt i
Otto Belser vor einem Plakat in einer Ausstellung, das ihn selbst als junger Stoffdrucker zeigt. Das Pausa-Urgestein ist jetzt im Alter von 91 Jahren gestorben. Foto: Jürgen Meyer
Otto Belser vor einem Plakat in einer Ausstellung, das ihn selbst als junger Stoffdrucker zeigt. Das Pausa-Urgestein ist jetzt im Alter von 91 Jahren gestorben.
Foto: Jürgen Meyer

MÖSSINGEN. Beim Mössinger Generalstreik-Versuch gegen Hitlers Machtergreifung am 31. Januar 1933 war Otto Belser zwar erst zwei Jahre alt. Aber unter den 800 Beteiligten der linken Organisationen, die damals in einem Streikzug durch den Ort zogen, waren einige Angehörige von ihm mit dabei.

Es war dann Karl Stotz, der jüngste Bruder des legendären Generalstreik-Anführers Jakob Stotz, der ihn animierte, der Sozialdemokratischen Partei beizutreten. Das war 1964, und ein begeisternder Auftritt von Willy Brandt auf dem Tübinger Marktplatz tat ein Übriges dazu, dass er selbst aktiv in die Politik einstieg. Von 1975 bis 1999 saß der Ortsverein-Mann Belser für die SPD im Gemeinderat und war damit einer der letzten Räte, die das »rote Mössingen« repräsentierten. Von 1989 an war Belser auch zweiter ehrenamtlicher Bürgermeister-Stellvertreter. Im Juni 2021 erhielt er mit der »Willy-Brandt-Medaille« die höchste Auszeichnung, die die Partei ihren verdienstvollen Mitgliedern zuteil kommen lässt.

Höchste Auszeichnungen

Bereits 1950 war in die IG Textil und Bekleidung eingetreten. Da war er 19 und gerade ein Jahr in der Textildruckerei Pausa beschäftigt. Sehr zum Missfallen der Firmenleitung setzte er sich für bessere Löhne und Arbeitszeiten ein. Damals gab's 63 Pfennige in der Stunde und eine 48-Stunden-Woche. Vom Aushilfs-Stoffdrucker zum Druckereimeister blieb er der Pausa 45 Jahre treu, lernte dort auch seine (2016 verstorbene) Frau Barbara kennen. Als die Kantine 2018 zum Café umgebaut wurde, veranstaltete er dort die Treffen der Pausa-Senioren. Und als 73 Jahre nach der Arisierung des Unternehmens erstmals die Nachkommen der jüdischen Firmengründer nach Mössingen kamen, suchte er aktiv den Kontakt. Weswegen er vom Löwenstein-Forschungsverein die Ehrenmitgliedschaft verliehen bekam.

Unermüdlich, engagiert und bürgernah wirkte Belser in 14 Vereinen; langjähriger Blutspender, treibende Kraft im Partnerschaftsverein, führend in der Chorgemeinschaft, um nur einige seiner Aktivposten zu nennen. Belser stammt aus einer alten Belsener Familie, deren Stammbaum bis 1534 zurückreicht. Fünf Urenkel, fünf Enkel und drei Kinder werden die Linie fortsetzen. Otto Belser starb am 28. Dezember. Seinen 91. Geburtstag am 3. November feierte er noch, natürlich, in der alten Pausa-Kantine. Dann verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. (GEA)