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Aktuell Coronakrise

Mössinger Internetplattform »Erreichbar« - Hoffen auf die Zeit danach

Inzwischen präsentieren sich 55 Geschäfte und Betriebe mit ihren Angeboten auf der städtischen Internetplattform »Erreichbar«. Optimismus ist Einzelhändlerpflicht

»Erreichbar«: Unter diesem Logo unterstützt Mössingen seine Betriebe.  GRAFIK: STADT
»Erreichbar«: Unter diesem Logo unterstützt Mössingen seine Betriebe. GRAFIK: STADT Foto: Stadt
»Erreichbar«: Unter diesem Logo unterstützt Mössingen seine Betriebe. GRAFIK: STADT
Foto: Stadt

MÖSSINGEN. In diesen ungewissen Corona-Zeiten geht es ums Überleben. Nicht nur der Menschen, sondern auch der Betriebe. Schließlich tragen Letztere auch zum Leben in der Stadt bei. Jetzt, mitten im Shutdown, sind andere Geschäftsstrategien gefragt bei denen, die staatlich verordnet schließen mussten, weil ihr Gewerbe als nicht systemrelevant eingestuft wurde.

Zur Unterstützung des Einzelhandels in Mössingen hat die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Handels- und Gewerbeverein Ende März ein Online-Portal auf die Beine gestellt, auf dem Betriebe gelistet sind, die nur beschränkt oder gar nicht öffnen dürfen, aber ihre Leistungen in anderer Weise anbieten können. Restaurants, deren Besuch wegen Ansteckungsgefahr nicht mehr möglich ist, liefern ihr Essen auf Bestellung aus oder es kann abgeholt werden. Auch Blumen lassen sich verschicken. Auf der Webseite www.moessingen.de/erreichbar sind inzwischen 36 Geschäfte und 16 Gastronomiebetriebe aufgelistet sowie zwei Dienstleister und auch ein Hotel, die auf Kundschaft hoffen.

Die Idee dazu hatten Wirtschaftsförderer Claudius Mähler und der Tourismusbeauftragte der Stadt Uwe Walz. »Wir wollen gerade kleine Betriebe unterstützen, weil es extrem schwer wird, die wieder aufzubauen. Dafür sind wir ein Baustein, der ein bisschen hilft«, sagt Walz und betont, wie wichtig es sei, dass Betriebe »am Markt sichtbar bleiben.« Bei seinem eigentlichen Arbeitskernbereich, dem Tourismus, sei die Lage katastrophal. Immerhin gebe es mit Fischer’s Hotel Garni ein Haus, das geöffnet hat für nichttouristische Gäste.

Beim Start der Webseite vor drei Wochen gab es 25 Betriebe, die dort ihre Dienste anboten. Jetzt summiert sich das auf 55. Auch wenn immer noch die ein oder andere Rückmeldung reintröpfelt, geht Uwe Walz davon aus, dass im Wesentlichen fast alle dort gelistet sind, die auch in Corona-Zeiten ihre Produkte oder Leistungen präsentieren wollen.

»Die Plattform wird von den Betrieben sehr gut angenommen«, sagt Walz. Diese würden merken, dass sich das für sie rechne. Wobei Walz unterschiedliche Reaktionen auf die derzeitige Situation beobachtet hat. »Manche sind findiger und agiler, andere sagen, warten wir erst mal ab.«

Nicht alles Kreative ist auch erlaubt. Dass Blumen und Geschenkartikel zweier Mössinger Geschäfte auch in einer Metzgerei vertrieben wurden, untersagte das Ordnungsamt in Mössingen unter Verweis auf die Regeln des Landes: Es ist nicht erlaubt, neue Produkte anzubieten, bei denen der Lebensmittelanteil nicht überwiegt.

»Die Mössinger sind extrem digital unterwegs«

Ein anderes Produkt, das manchen auch als "Lebensmittel" gilt, läuft dagegen unter den jetzigen Bedingungen relativ gut: der Verkauf von Büchern. »Die Mössinger sind extrem digital unterwegs«, stellt Pia Ziefle fest von "Unser Buchladen" fest. Es gebe "wahnsinnig viele Anrufe". Man habe die Arbeitsprozesse umgestellt und sich darauf eingestellt, dass es nun sehr viel telefonische Betreuung geben muss. Das mit den Bestellungen klappe "super". Ihre Sorgen gehen eher in Richtung Sommer, wenn es um die Bestellung von Schulbüchern geht. "Das würde uns viel mehr auf die Füße fallen." Dass die Stadt Reutlingen mit einer Internetseite die Betriebe unterstützt, findet Ziefle ein wichtiges Signal.

Auch in Mössingen werden die jetzt die oft genannten Bücher »Die Pest« von Albert Camus und das Decamerone nachgefragt. Aber auch Empfehlungen des Buchladens wie die Neuerscheinung »Sophias Hoffnung«, erster Band einer neuen Trilogie der Autorin Corina Bomann, würde laufen. Womit Ziefle nicht gerechnet hat: Reiseführer würden verstärkt nachgefragt. Offensichtlich will man sich zumindest gedanklich in den Urlaub begeben. Ziefle führt sogar etwas Positives der Coronakrise an. Die Konzentration des großen Kokurrenten Amazon auf Dinge des täglichen Bedarfs zeige eben auch die Qualität des Buchhändlers vor Ort, der trotzdem liefern kann.

Liefern kann auch Karl-Heinz Deisböck von der Firma »Albatros«, nämlich Spielwaren und Geschenke, die man sich auf der Webseite oder im Schaufenster ausgucken kann. Wobei auf der Webseite gerade mal zehn Prozent der Produkte stehen würden, die er vertreibt, räumt Deisböck ein. Das Ostergeschäft während der Coronakrise sei nur zehn bis 15 Prozent dessen, was er sonst hat. Es gehe vor allem um »durchhalten«, sagt Deisböck. Eigentlich sei er ganz optimistisch. Er hofft darauf, dass die Krise auch Denkprozesse anstößt und die Leute sich darauf besinnen, wo sie einkaufen.

Bei Michls Waldhorn hat man den bisherigen Restaurantbetrieb gleich auf den frisch eröffneten Hofladen umgepolt, in dem man sich Suppen oder frisch zubereitete Hauptgerichte für zu Hause kaufen kann, alles im Glas und drei bis vier Wochen haltbar. Damit habe man eine »tolle Lösung« gefunden, sagt Franziska Jung. »Wir produzieren am laufenden Band.« Sieben verschiedene Gerichte waren über Ostern im Angebot. Auch wenn man um jeden Cent kämpfe, verliert Jung nicht ihren Optimismus. »Wir schaffen das.«

Auf der Liste der Stadt steht auch Barbara Muschler, Vorsitzende des Mössinger Handel- und Gewerbevereins, die für ihr Modegeschäft telefonische Beratung und einen Lieferservice anbietet. Alles laufe während der Coronakrise auf Sparflamme. Für Muschler ist klar: »Die Zeit danach ist das Allerwichtigste. Die ist entscheidend.« Eine Stadt definiere sich über den Einzelhandel, betont Muschler. Nach dem Shutdown wünscht sie sich eine kleine kontrollierte Öffnung bei den Geschäften, die schließen mussten. Muschler lobt die Zusammenarbeit mit der Stadt, die sei »sehr gut«. Aber die Möglichkeiten seien begrenzt. Positiv ist für sie, dass die Einzelhändler zusammenhalten, es kein Konkurrenzdenken gäbe, sondern ein Miteinander. Für Muschler ist klar: »Wenn es absehbar ist, halten wir durch.« (GEA)

 

www.moessingen.de/erreichbar