MÖSSINGEN. »Wie in den guten alten Zeiten«, freute sich Thomas Fischer. So viele Besucher waren schon seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr zu einem Konzert des Liederkranzes Belsen gekommen, stellte der strahlende Vorsitzende fest. Eilig mussten am Sonntagabend weitere Stuhlreihen aufgestellt werden. Mit rund 450 Gästen war die Aula der Friedrich-List-Gemeinschaftsschule sozusagen ausverkauft.
Es war zumeist die Neugier, die Sangesfreunde auch von Chorvereinen aus den Nachbarorten in Scharen in den festlich geschmückten Saal lockte. Denn der 1888 gegründete Verein hat sich erstmals in seiner Geschichte auf ein Experiment eingelassen, von dem nicht klar war, wie es ausgehen würde. Der neue Dirigent Johannes Söllner hat dem hartnäckig im traditionellen Liedgut verhafteten Männerbund eine inhaltliche Auffrischung verpasst. Im April wurde von dem Augsburger ein Projektchor ins Leben gerufen, um unter dem Motto »Männersache« mit modernen Liedern neue, jüngere Sänger anzuwerben.
Tatsächlich hatte der Chor unter stetigem Rückgang seiner aktiven Sänger zu leiden. Von einstmals sechzig Stimmen war er auf 25 geschrumpft und drohte zu überaltern. Der Aufruf des neuen 35-jährigen Leiters fand erfreulichen Widerhall. Junge Sangeswillige kamen dazu und probten in den humorvoll gehaltenen Singstunden für das zunächst einmalige Konzert.
Letztlich standen am Sonntag 37 Männer im Scheinwerferlicht. Für den Dirigenten war es eine große Herausforderung, mit den 20- bis 90-jährigen Sängern den Spagat zwischen der Tradition und der Moderne im neuen Repertoire auf die Reihe respektive in die Stimmen zu bekommen.
Schon mit dem Eröffnungslied – natürlich Grönemeyers »Männer« – erlebten die lautstark Beifall gebenden Zuhörer einen von ungeahnter Energie getragenen Chor. Als dann die für ihre Silcher- und Uhland-Liedgesänge geschätzten Alt-Belsener das düstere Titelthema der Fantasy-Serie »Games of Thrones« anstimmten, war das Publikum schon außer sich.
Mit dem folgenden »Muss i denn« schien es zunächst vertraut altbacken-gemächlich weiterzugehen, doch mitten im Volkslied wechselte das Tempo. Und auch Westernhagens »Wenn ich mal alt bin« sprühte vor Power, die mit »Santiano« einen ersten Höhepunkt vor der Pause erreichte.
Hochkarätige Verschnaufpause
Mit dem Gastauftritt des Harmonika-Clubs Mössingen hatte sich der Liederkranz eine hochkarätige Verschnaufpause verschafft. Unter Leitung von Franc Zibert gabs ein kurzweiliges Abba- und Udo Jürgens-Medley zum Mitsingen.
Im zweiten Teil präsentierte der Chor ein Stück des Dirigenten, der in Freiburg Schulmusik und Musiktheorie studiert hatte und als Komponist Auftragsarrangements macht.
Tosender Applaus beendete die geglückte Premiere, bei der unter anderem mit »Moskau« und »Ich war noch niemals in New York« sich die ganze Aula mitreißen ließ.(GEA)