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Aktuell Bauern

Landwirte sind auch im Kreis Tübingen unter Druck

Preise für Getreide, Milch und Rindfleisch stabil, aber herbe Verluste auf dem Schweinemarkt. Kreisbauernverband diskutiert Vertragsverletzungsverfahren der EU

Jörg Kautt, Kreisobmann Bauern, aus Immenhausen befürchtet eine deutliche Preissteigerung für tierische Produkte.  FOTO: STURM
Jörg Kautt, Kreisobmann Bauern, aus Immenhausen befürchtet eine deutliche Preissteigerung für tierische Produkte. Foto: Michael Sturm
Jörg Kautt, Kreisobmann Bauern, aus Immenhausen befürchtet eine deutliche Preissteigerung für tierische Produkte.
Foto: Michael Sturm

KREIS TÜBINGEN. Die Bauern im Sprengel haben sich am Donnerstag zu ihrer Winterversammlung in Kusterdingen getroffen. Erstes Thema war traditionell das Wetter: In den letzten Jahren war es zu trocken, in diesem Jahr litt die Landwirtschaft unter zu viel Niederschlag und dem Hagel im Juni. Spätfröste erschwerten die Saat von Sommerfrüchten. Die Getreideernte sei »ein Katz-und-Maus-Spiel gewesen«, so der Vorsitzende der Tübinger Kreisbauernschaft, Jörg Kautt.

Dagegen profitierten das Grünland und der vom Hagel verschonte Mais – es gab reichlich Silage und Heu. Die Erträge für Getreide gingen zurück, die Preise zogen an: »Sie sind aktuell auf hohem Niveau«, so Kautt. Ähnlich sehe es beim Rindfleisch aus, auch der Milchmarkt sei stabil.

Für Schweine gebe es dagegen nahezu keinen Markt: »Mit jedem Tier verliert der Landwirt massiv Geld.« Das lag einerseits an der Schweinepest, andererseits an Corona bedingten Schließungen von Schlachtstätten, einer langen Lahmlegung der Gastronomie sowie einem Ausfall von Grillbedarf im Sommer. In Deutschland war die Produktion zwar eingeschränkt, in Polen und Spanien jedoch massiv erhöht worden, was zu einem Preisdruck führte.

Farm to Fork-Strategie

Den spüren die Bauern vor allem im Bereich der Produktionsmittel. Deren Preise explodierten gerade, sagte Kautt: »Mineraldünger hat sich fast um 300 Prozent erhöht und ist nicht zu bekommen.« Dazu kommt, dass auch die Preise für Kraftstoff zuletzt durch die Decke gingen. Starke Bedenken äußerte der Kreisvorsitzende der Tübinger Bauernschaft an der neuen Farm to Fork Strategie (F2F) der europäischen Union: Sie soll als Grundlage der neuen gemeinsamen Agrarpolitik in Europa ab 2023 in Kraft treten. Kautt zitierte aus einem aktuellen Bericht der EU-finanzierten Joint Research Zentrums der negative Konsequenzen der Strategie befürchtet.

Demnach habe F2F zur Folge, dass die landwirtschaftliche Produktion reduziert werde und deutliche Preissteigerungen, insbesondere für tierische Produkte zur Folge haben werde. »Aktuell hungern 800 Millionen Menschen«, sagte Kautt. Durch Verknappung und die massive Verteuerung der Produktionsmittel befürchte er einen Rückgang der Erträge und noch mehr Druck auf die Ernährungssituation in armen Ländern: »Tatsache ist, wir Europäer werden den Menschen in anderen Teilen der Welt das Essen vom Teller wegkaufen.«

Ein Thema, das den Kreisbauernverband beschäftigte, war das Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen das Land Baden-Württemberg: Dies habe zu viele magere Flachland-Mähwiesen (auch FFH-Mähwiesen genannt) verloren. Dabei handelt sich hierbei um Grünland, das sich durch einen außerordentlichen Reichtum an Pflanzen- und Tierarten auszeichnet.»Im Raum standen 400 Hektar Verlustfläche«, so Kautt. Im Kreis Tübingen seien der südliche Schönbuchrand und das Albvorland betroffen gewesen. In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt habe man die Vorwürfe teils entkräften und auf offensichtliche Fehler im Verfahren hinweisen können.

Kautt rief die Bauern im Kreis dazu auf, vor dem Mähen Kontakt zur Kreisjägervereinigung Tübingen aufzunehmen. Diese habe sich eine Drohne zur Suche von Rehkitzen angeschafft, die kostenfrei benutzt werden könne: »Es geht rein um die Rettung der Kitze vor dem Mähtod.«

Martin Zaiser, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands, erklärte später noch die Änderungen im Steuerrecht, welche die Landwirte betreffen. Demnach könne jeder Betrieb entscheiden, ob er eine Pauschalsteuer zahlt oder für eine Regelsteuer optiert. Für Unruhe sorge allmählich, dass die Grundsteuer ab Anfang 2025 neu bemessen wird. Für Zaiser nicht ganz verständlich: Die Wohnhäuser der Höfe sollen steuerlich vom Rest des Betriebs getrennt werden. Zaiser mahnte seine Kollegen, sich frühzeitig mit diesem Thema zu befassen: »Das kommt relativ schnell auf uns zu.« (GEA)