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Kusterdinger Gemeinderat wartet mit Grundsteuer-Hebesatz auf die Stadt Reutlingen

Kusterdingen teilt sich mit Reutlingen das gemeinsame Gewerbegebiet IG West. Wie sich das auf die Grundsteuer auswirkt.

Gemäß der Grundsteuer-Reform werden Besitzer von unbebauten Grundstücken mehr zur Kasse gebeten.
Gemäß der Grundsteuer-Reform werden Besitzer von unbebauten Grundstücken mehr zur Kasse gebeten. Foto: dpa / Patrick Pleul
Gemäß der Grundsteuer-Reform werden Besitzer von unbebauten Grundstücken mehr zur Kasse gebeten.
Foto: dpa / Patrick Pleul

KUSTERDINGEN. »Das ist ein Thema, das viele heftig bewegt. Es geht um viel Geld«, betonte Bürgermeister Jürgen Soltau in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch. Die Grundsteuer-Reform macht auch vor Kusterdingen nicht Halt. Die Gemeinde muss die Hebesätze für die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) und B (Grundvermögen gewerblich und privat) anpassen. Bereits 2018 sei vom Bundesverfassungsgericht die Art der bisherigen Berechnung als »Ungleichbehandlung« bezeichnet worden.

»Die Steuersumme muss aufkommensneutral bleiben. Die Gemeinde soll nicht mehr und auch nicht weniger als in den Vorjahren einnehmen«, erläuterte Soltau. Ein Ziel der Grundsteuer-Reform sei das Schließen von Baulücken.

Die Fläche bestimmt die Kosten

»Es wird eine Belastungsverschiebung bei der Grundsteuer B geben«, erläutert Kathrin Bauer vom Steueramt der Gemeinde im Gespräch mit dem GEA. Nur die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert werden in der neuen Berechnungsweise betrachtet, nicht mehr die Bebauung. Ein Gutachterausschuss bestimmt die Bodenrichtwerte. Die Grundsteuer berechnet sich wie folgt: Messbetrag mal Hebesatz durch 100. Kleinere Änderungen gibt es, ob das Grundstück für »Wohn- oder andere Zwecke« verwendet wird.

»Es zählt nicht, ob ein hochwertiger Neubau oder ein einfaches altes Haus auf dem Grundstück steht. Besitzer von Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern zahlen weniger. Auch Gewerbetreibende kommen durch die Grundsteuer-Reform besser weg. Denn beispielsweise wie viel erwirtschaftet wurde, wird nicht einberechnet«, erläutert die Rathaus-Mitarbeiterin. Besitzer von Einfamilienhäusern und Besitzer von unbebauten Grundstücken kämen hingegen nun schlechter weg. »Wir hatten mehrere Anrufe von verärgerten Bürgern«, sagt sie. Das Problem sei gewesen, dass Einzelfälle nicht genügend berücksichtigt worden waren. Zuwege seien in der gleichen Höhe wie Bauland verbucht worden. Die Entscheidung über die Höhe des neuen Grundsteuer-Hebesatzes wurde in der Sitzung vertagt. Denn: Kusterdingen wartet darauf, welchen Satz Reutlingen festlegen möchte. Grund ist das gemeinsame Gewerbegebiet, denn die Gemeinden haben sich bei der Gründung des Gebietes auf Folgendes geeinigt: Kusterdingen führt 83,4 Prozent der Grund- und Gewerbesteuern an Reutlingen ab, Reutlingen wiederum 16,6 Prozent an Kusterdingen.

Bei unterschiedlichen Hebesätzen muss, so steht es im Vertrag, immer auf Basis des höheren finanziell ausgeglichen werden. Das kann für das Gewerbegebiet bedeuten: Kusterdingen muss, wenn die Gemeinde einen niedrigeren Hebesatz als Reutlingen festlegt, die Differenz zum Reutlinger Hebensatz an die Großstadt abführen - obwohl die Härtengemeinde weniger Geld eingenommen hat.

2024 hatte die Gemeinde etwa 2,3 Millionen an Grundsteuer eingenommen. Wenn Kusterdingen den Reutlinger Hebesatz von – aktueller Stand: 320 – übernehmen würde, hätte Kusterdingen 1,6 Millionen Euro Mehreinnahmen aus der Grundsteuer B. Deshalb kann Kusterdingen nicht den Satz von Reutlingen übernehmen, wie es in den Vorjahren der Fall war. Die Gemeindeverwaltung berechnete einen Satz von 235 für eine Aufkommensneutralität. Josef Göppert (Härtenliste) überprüfte die komplexen Vertragsvereinbarungen und kam auf einen Wert von 178. Was die Gemeindeverwaltung so einkalkulieren wird.

In der Diskussionsrunde im Rat stießen unterschiedliche Meinungen aufeinander. Vera Ambros (Härtenliste) warf in die Runde, dass die »Randbedingungen« sich so geändert hätten, dass man eine Reform des Gemeindevertrags in Betracht ziehen müsse. »Die Bodenrichtwerte sind nicht vergleichbar. Reutlingen ist städtisch mit Mehrfamilienhäusern geprägt, Kusterdingen ist ländlich und es gibt viele Einfamilienhäuser«, gab sie zu bedenken. Josef Göppert (Härtenliste) warnte davor, den Vertrag zu ändern. »Wir können nur schlechter wegkommen. Für die Verwaltung und die Kosten für den Betrieb ist Reutlingen zuständig. Auch die Erschließungsarbeiten hat damals Reutlingen übernommen.«

Timo Dolch (SPD) sorgte sich, dass insbesondere Rentner aufgrund der Reform »zu viel stemmen müssten«. Seine Position: »Ich möchte, dass der Hebesatz so weit wie möglich runterkommt.«

Ein weiteres Thema, was jedoch in der Gemeinderatssitzung nicht weitergehend besprochen wurde, ist die Grundsteuer C. Sie ermöglicht den Kommunen einen extra Hebesatz für baureife, aber unbebaute Grundstücke festzusetzen. Die Härtengemeinde verzichtet darauf. »Es wird auch ohne die Steuer eine Belastungsverschiebung zulasten von unbebauten Grundstücken geben«, heißt es in der Ratsvorlage. (GEA)