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Aktuell 1. Mai

Kritik an der Gewerkschaft bei Kundgebung in Tübingen

Rund 1 200 Demonstranten folgen dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes und nehmen an der Kundgebung auf dem Tübinger Marktplatz teil

Die Demonstranten ziehen vom Europaplatz bis zum Rathausplatz.  FOTO: SAPOTNIK
Die Demonstranten ziehen vom Europaplatz bis zum Rathausplatz. FOTO: SAPOTNIK
Die Demonstranten ziehen vom Europaplatz bis zum Rathausplatz. FOTO: SAPOTNIK

TÜBINGEN. Mehr Offensivität bei den Gesprächen mit den Arbeitgebern – das forderte der Hauptredner der 1. Mai-Kundgebung, Gerd Bosbach, von den Gewerkschaftlern. »Wenn Scheiße gemacht wird, muss der DGB das auch als Scheiße benennen«, sagte der Professor für Mathematik und Statistik, der an der Uni Koblenz lehrt.

Rund 1 200 Demonstranten versammelten sich am 1. Mai auf dem Tübinger Rathausplatz, um dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftbunds (DGB) zu folgen und sich gemeinsam für gerechte Arbeitszeiten und Löhne einzusetzen und auf Missstände aufmerksam zu machen. Gemeinsam zogen sie vom Europlatz bis zum Rathausplatz – in diesem Jahr unter dem Motto »Europa. Jetzt erst richtig«. Aber auch über die Grenzen Europas hinaus waren die Arbeitsbedingungen Thema: Die Tübinger Initiative »Fairstrickt« sammelte für Frauen, die in Bangladesch in der Textilindustrie arbeiten, und die Schauspielerin Sarah Kentner las ein Gespräch mit Saeeda Khatoon vor, die ihren Sohn bei einem Brand in einer Textilfabrik verlor und daraufhin einen Textildiscounter verklagte.

Eines der Spezialgebiete von Bosbach ist laut eigener Aussage, Lügen in Zahlen zu entdecken. Er rechnete vor, wie viel Gewinn ein Unternehmen wie BASF pro Jahr pro Mitarbeiter macht. Bei dem Chemiekonzern seien das laut Bosbachs Berechnungen rund 36 000 Euro pro Mitarbeiter. »Dieses Geld hat BASF aber an die Aktionäre ausgeschüttet, nicht an die Mitarbeiter«, sagte er. Solche Rechnungen habe er auch für andere Unternehmen aufgestellt. »Die Zahlen sind aber nur kurz in der Verdi-Zeitung erschienen. Die Betriebsleitung hat sich vornehm zurückgehalten«, sagte er. Auch in der Autobranche hätten sich die Betriebsräte offensiver in den Abgasskandal einschalten sollen. »Glauben Sie, die Betriebsräte haben davon nichts gewusst? Das denke ich nicht«, sagte er.

Die Vorsitzende des Personalrats, Margrit Paal, moderierte die rund zweistündige Kundgebung. In ihrer Begrüßungsrede kritisierte sie kurz Oberbürgermeister Boris Palmer, der mit seiner Kritik an einer Werbung der Deutschen Bahn eine Rassismusdebatte ausgelöst hatte. »Man würde ihm am liebsten zurufen: Ja, lieber Boris, auch du bist damit gemeint«, sagte sie. Sie betonte, dass die Stadtverwaltung dazu verpflichtet sei, die Menschenwürde zu wahren. Stellvertretend für die Stadtverwaltung trat Sozialbürgermeisterin Daniela Harsch ans Mikro. Sie versprach, sich weiterhin in ihrem Amt dafür einzusetzen, dass die Bürger in Tübingen friedlich zusammenleben können. Zugleich zeigte sie sich solidarisch mit den Gewerkschaftlern: »Schließen Sie gute Tarifverträge ab, die uns ermöglichen die Arbeitnehmer ordentlich zu bezahlen.«

Personalmangel bleibt Thema

Als Vertreterin des größten Arbeitgebers sprach Angela Hauser, Personalratsvorsitzende des Uniklinikums. Sie kritisierte den Personalmangel in den Pflegeberufen, der – trotz neu abgeschlossenem Tarifvertrag – immer noch an den vier Kliniken herrsche. »Das vereinbarte Ausfallmanagement und der Springerpool sind immer noch nicht aufgebaut worden. Wir leiden immer noch unter dem Personalmangel«, sagte sie. Sie forderte weiterhin mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und eine angemessene Patientenversorgung.

Erstmals bei der Kundgebung dabei waren auch Vertreter von der Bewegung »Fridays for Future«. Silian Frische, der das Technische Gymnasium in Tübingen besucht, betonte in seiner Rede, dass es bereits spät sei für den Klimaschutz. »Wir können jetzt nur noch den Schaden reparieren«, sagte er. Er zählte auf, dass mittlerweile schon sehr viele Menschen auf biologisch produzierte Lebensmittel umsteigen, und dass feuchtes Toilettenpapier auch ein Faktor sei, der leicht zu vermeiden sei – das Papier besteht aus winzigen Kunststofffäden, die sich im Wasser niemals auflösen. (GEA)