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Aktuell Soziales

Jedem Neunten im Kreis Tübingen droht Armut

Gewerkschaft weist auf Defizite im Kreis Tübingen hin. Auch Doppelverdiener mit Problemen?

Eine Person galt 2010 als armutsgefährdet, wenn sie nach Beanspruchung staatlicher Leistungen weniger als 11 426 Euro im Jahr
Foto: Malte Christians
Foto: Malte Christians

KREIS TÜBINGEN. Arm trotz Arbeit: Ein großer Teil der 44 500 Menschen, die im Landkreis Tübingen nur einen Teilzeit- oder Minijob haben, ist nach Einschätzung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) von Erwerbsarmut bedroht. »Insbesondere Frauen, die halbtags oder nur einzelne Tage in der Woche arbeiten, fehlt am Monatsende das nötige Geld. Für viele Familien im Kreis ist ein Kinobesuch oder ein neuer Schulranzen längst zum Luxus geworden«, sagt Hartmut Zacher von der NGG Stuttgart.

Er beruft sich auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Danach ist im Regierungsbezirk Tübingen jeder neunte Haushalt (11,2 Prozent) armutsgefährdet. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat.

Kinder sind die Leidtragenden

Nach einer Mitteilung der NGG-Geschäftsführung kommt eine Teilzeitkraft, die 25 Wochenstunden in einer Bäckerei oder Fleischerei arbeitet, die nicht nach Tarif zahlt, auf einen Verdienst von durchschnittlich rund 1 000 Euro brutto im Monat. Die Armutsgrenze für eine Familie mit zwei Kindern liegt nach amtlicher Definition hingegen bei aktuell 2 174 Euro pro Monat – netto.

»Längst nicht nur Alleinerziehende, sondern zunehmend auch Doppelverdiener haben Schwierigkeiten, über diese Grenze zu kommen. Die Leidtragenden sind oft die Kinder«, so Zacher.

Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands stehen den ärmsten zehn Prozent der Paarhaushalte lediglich 44 Euro monatlich pro Kind für Freizeit, Sport und Kultur zur Verfügung. Bei einer durchschnittlichen Familie sind es 123 Euro, bei den reichsten zehn Prozent 257 Euro.

Neben den Unternehmen sieht die Gewerkschaft auch die Politik viel stärker gefordert. »Das neue Bildungs- und Teilhabegesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht«, betont Zacher.

Nach dem Gesetz gibt es für Kinder in Hartz-IV-Familien und Geringverdiener-Haushalten seit August einen Zuschuss von 150 Euro pro Schuljahr – etwa für Bücher oder Lernsoftware. Bisher waren es 100 Euro. Wer Wohngeld oder Kinderzuschlag bezieht, ist von Kita-Gebühren befreit. (pm)