KUSTERDINGEN. »Im Laufe der Zeit hat sich auch bei uns vieles geändert.« Kaum jemand kann das besser beurteilen als Ilse Walker, die den evangelischen Kindergarten in der Kusterdinger Mozartstraße seit 32 Jahren leitet. Als sie dort begann, gab es noch die Regelöffnungszeit mit Vor- und Nachmittagskindergarten. »Mittags gingen die Kinder heim zum Essen.« Außerdem vesperten alle zusammen. Heute wird der Vespertisch mit Liedern und einem Tischgebet zwar gemeinsam eröffnet, danach können die Kinder aber innerhalb einer bestimmten Zeitspanne essen, wann sie wollen.
Inzwischen bietet auch der Mozartkindergarten verlängerte Öffnungszeiten oder Ganztagesbetreuung an. Aber nicht nur das ist ein Unterschied zu früher. Auch die Kinder sind heute anders, hat Walker festgestellt. »Sie sind freier, aufgeweckter, neugieriger und wissensdurstiger.« Das Thema Natur komme gut bei ihnen an. So besuchte kürzlich eine Gruppe die Eltern von Kindern, die auch im Kindergarten sind. Dort waren Küken frisch geschlüpft, worauf die Kleinen sehr neugierig waren.
»Wir fragen die Kinder in der Projektzeit, was sie interessiert«, erzählt Ilse Walker. »Besonders gerne machen sie Experimente.« Als einige der Kinder vor Kurzem etwas über Vulkane wissen wollten, wurde im Sandkasten ein Kegel gebaut, mit einem Krater. In diesen kam ein Schüsselchen, in dem Essig, Backpulver und Brause gemischt wurden. Das Gemisch begann zu dampfen, wie bei einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. »Die Kinder waren sehr begeistert und ganz bei der Sache.« Danach durften sie Kinder Brause trinken.
»Unsere Kinder damals hatten im Gegensatz zu heute zu Hause sehr wenig Spielzeug. So waren sie im Kindergarten oft glückselig, spielen und ausprobieren zu können«, erinnert sich die ehemalige Mitarbeiterin »Tante« Gudrun Geiger in der Chronik, die zum 40-jährigen Bestehen entstand. Auch heute spielen die ganz kleinen Kindergartenkinder noch gerne mit Klötzchen, bauen Türme und freuen sich, wenn eine Erzieherin Geschichten aus dem Bilderbuch vorliest. Der Rollenspielbereich regt die Kinder zu fantasievollem Spiel an und im Atelier wird ihre Kreativität gefördert.
»45 Kinder allein und ohne Zweitkraft zu betreuen war schon eine Herausforderung«
»Die Gruppenstärke betrug in jeder Gruppe 45 Kinder. 45 Kinder alleine und ohne Zweitkraft zu betreuen, war schon eine Herausforderung«, so Geiger in der Chronik. Heute sind die Gruppen deutlich kleiner. Der Mozartkindergarten hat aktuell zehn feste Mitarbeiterinnen und zwei junge Frauen in Ausbildung. Anders als früher muss Ilse Walker zum Wohle der Kinder heute viel Zeit im Büro verbringen. »Der Verwaltungsaufwand hat stark zugenommen. Allein schon die vielen Dokumentationen über die Entwicklungsstände der Kinder nehmen einen ziemlich in Anspruch.«
Der Kindergarten, dessen Träger der evangelische Kirchenbezirk Tübingen ist, hat bis heute engen Kontakt zur evangelischen Kirchengemeinde Kusterdingen. So war es für die Kinder ein großes Erlebnis, als sie vor vielen Jahren erstmals am Erntedankgottesdienst mitwirken durften. Die Idee dazu hatten die Mitarbeiterinnen des Kindergartens, und der damalige Pfarrer Adolf Klein war davon sehr angetan. »Mit wunderbar gefüllten und geschmückten Körbchen, für manche fast zu schwer, um sie zu tragen, gingen wir mit großer Erwartung in die Kirche. Unsere Verse und Lieder wurden von den Gottesdienstbesuchern interessiert aufgenommen. Es war ein voller Erfolg«, erinnerte sich Gudrun Geiger. Auch heute noch wirken Kinder beim Erntedanksonntag mit, die drei evangelischen Kindergärten wechseln sich jedes Jahr ab. Einmal im Monat werden die Kleinen von Pfarrerin Susanne Fleischer zum Kirchenfenster in die Kirche eingeladen. Sie singen dann gemeinsam Lieder, werden am Gebet beteiligt und Susanne Fleischer erzählt biblische Geschichten. »Sie macht das sehr kindgerecht und spannend. Die Kinder sind begeistert«, erzählt Walker. Einmal im Jahr wird der Weltkindertag in der Kirche gefeiert, mit allen Kindern, die die drei evangelischen Kindergärten in Kusterdingen besuchen.
Schon damals wurde entsprechend des pädagogischen Konzepts im evangelischen Mozartkindergarten großen Wert darauf gelegt, Themen aufzugreifen, die die Kinder bewegen. Das geschieht heute im Rahmen der Kinderkonferenz, die einmal in der Woche stattfindet. »Jedes Kind darf dann sagen, was ihm in der Woche im Kindergarten gefallen hat. Wir sammeln dann ihre Ideen und besprechen Neuigkeiten. Wir reden auch darüber, was nicht so gut gelaufen ist, etwa wenn es Streit gab«, berichtet Ilse Walker. So wird ein gutes Fundament für den weiteren Lebensweg gelegt. (GEA)
FESTPROGRAMM ZUM 50-JÄHRIGEN BESTEHEN
Jubiläum im Kindergarten Mozartstraße
Am Sonntag, 12. Mai, wird das 50-jährige Bestehen des evangelischen Mozartkindergartens gefeiert. Um 14 Uhr begrüßt dort Kindergartenleiterin Ilse Walker die Gäste, die Kinder singen einige Lieder, anschließend gibt es Kaffee und Kuchen. Um 15 und um 15.40 Uhr erzählt Matthias Jungermann vom Figurentheater Radieschenfieber »göttliche« Geschichten mit Gemüse und Co.
Der Auftritt des Künstlers ist ein Geschenk für die Kinder, das mit der »Mozer-Spende« finanziert wird. In den 50er-Jahren war der Kusterdinger Friedrich Mozer nach Amerika ausgewandert. Dort legte er Geld für die Kusterdinger Kinder an, die Zinsen kommen ihnen auch heute noch zugute. Um 17 Uhr folgt ein Ballonstart. (raw)