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Aktuell Engagement

Helfer aus der Mössinger Nachbarschaft

Die aktuelle Not hat die Sache beschleunigt: In Mössingen gibt es nun ein Netzwerk aus Freiwilligen

Der frühere Oberkirchenrat Werner Baur hat ein Nachbarschafts-Netzwerk in Mössingen gegründet.  FOTO: PRIVAT
Der frühere Oberkirchenrat Werner Baur hat ein Nachbarschafts-Netzwerk in Mössingen gegründet. FOTO: PRIVAT
Der frühere Oberkirchenrat Werner Baur hat ein Nachbarschafts-Netzwerk in Mössingen gegründet. FOTO: PRIVAT

MÖSSINGEN. Während auf der ganzen Welt und auch vor der eigenen Haustür die merkwürdigsten Dinge vor sich gehen, Menschen Toilettenpapier in rauen Mengen horten und Desinfektionsmittel aus den Krankenhäusern verschwinden, gibt es vielerorts auch gegensätzliche Bewegungen. Menschen, die sich solidarisch gegenüber ihren Mitmenschen zeigen, die mitdenken, mitfühlen und unterstützen. In Mössingen finden sich einige solcher Menschen. Einer von ihnen ist Werner Baur. Der 67-Jährige rief am Mittwoch eine Nachbarschaftshilfe in Mössingen ins Leben, schon jetzt haben sich acht Freiwillige bei ihm gemeldet.

Die Idee, ein Nachbarschafts-Netzwerk zu gründen, entstand bereits im Januar 2019 auf einer Klausurtagung der Diakonie-/Sozialstation Mössingen-Bodelshausen-Ofterdingen mit Vertretern der Kirchengemeinden und der Stadtverwaltung. Baur, der als Aufsichtsratsvorsitzender des diakonischen Unternehmens »Die Zieglerschen« vor Ort war, setzte sich von Anfang an für die Umsetzung eines solchen Projekts ein: »Wir hatten in Mössingen bereits in den 70er-Jahren eine funktionierende Nachbarschaftshilfe«, erinnert sich der Mössinger.

Mit den Jahren geriet das Projekt in Vergessenheit, nun ist es Werner Baur zufolge an der Zeit, es wieder ins Leben zu rufen: »Ursprünglich wollten wir erst im Herbst mit dem neuen Netzwerk starten. Doch in der jetzigen Situation ist es wichtig, dass wir sofort handeln.«

Junge Leute gefragt

Denn in der Großen Kreisstadt leben viele Menschen, die in der aktuellen Krisensituation Hilfe benötigen. Senioren oder Menschen mit Vorerkrankungen wird momentan dazu geraten, wegen der Ansteckungsgefahr das Haus nicht zu verlassen. Doch wer geht für sie einkaufen, wenn sie es selbst nicht mehr dürfen? Wer geht mit dem Hund Gassi, wer ersetzt die tagtäglichen Plaudereien mit den Nachbarn? »Solche Aufgaben zu übernehmen ist nicht nur wichtig für die Bedarfspersonen, sondern es stiftet auch Sinn, Hoffnung und Zuversicht«, sagt Baur. Vor allem die Mithilfe junger Leute, die gerade sowieso nicht zur Arbeit, in die Schule oder Universität gehen können, sei nun gefragt.

Über eine Telefonhotline, die montags bis freitags am Vormittag von Ehrenamtlichen betrieben wird, können sich sowohl Helfer als auch Hilfsbedürftige melden. Die Personen aus beiden Gruppen werden einander individuell zugeteilt, je nach Wohnort, Mobilität und Flexibilität der Helfer. Telefonisch können die einander zugeteilten Personen Kontakt aufnehmen und besprechen, was bis wann benötigt wird.

Aus hygienischen Gründen wird im Optimalfall vor dem Einkauf ein Briefumschlag mit Geld übergeben, der Einkauf wird anschließend am besten samt Rückgeld vor die Haustür gestellt, um Nähe zu vermeiden. Es besteht auch die Möglichkeit, einfach nur eine Weile übers Telefon zuzuhören und miteinander zu sprechen, denn in so herausfordernden Zeiten sei oft auch Redebedarf vorhanden, wie Werner Baur erklärt.

»Viele der Helfer sind froh, etwas für andere tun zu können und so auch selbst auf andere Gedanken zu kommen«, berichtet er. Vor Kurzem habe eines der örtlichen Fitnessstudios die Stadtverwaltung kontaktiert, die an das Nachbarschafts-Netzwerk weiterverwies: Die Mitarbeiter des Studios boten ihre Hilfe an, sie wollten während der Schließung nicht nutzlos herumsitzen, sondern anderen eine Stütze sein.

»Das Bewusstsein füreinander ist stark vorhanden, die Krise fördert sogar die Vitalität unseres Gemeinwesens«, so empfindet es Werner Baur. Vor einer Ausgangssperre, wie sie in anderen Ländern teilweise vorhanden ist, fürchte er sich mit Blick auf die Helfer nicht. Die Stadt habe klar signalisiert, auch im Falle stärkerer Einschränkungen die Nachbarschaftshilfe aufrechterhalten zu wollen, erklärt der Mössinger. »Die Versorgung muss und wird jederzeit sichergestellt sein.« (GEA)

TELEFON-HOTLINE

Sie möchten sich als Helfer registrieren oder benötigen selbst Unterstützung? Dann melden Sie sich unter Angabe Ihrer Kontaktdaten per E-Mail unter gemeinsam-nicht-einsam@gmx.net oder telefonisch unter 0174 8496343. Die Hotline ist montags bis freitags von 8.30 Uhr bis 12 Uhr besetzt. Auch eine Anmeldung über die Pfarrämter in Mössingen, Belsen, Talheim und Öschingen ist möglich. (alj)