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Getümmel, Schlägerei, Räumung: Tübingens problematischer Party-Hotspot Holzmarkt

Seit Wochen tummeln sich abends und besonders am Wochenende viele junge Menschen auf dem Tübinger Holzmarkt. Am Samstag kam es nun zu einer Schlägerei, die Polizei räumte den Platz anschließend. Oberbürgermeister Boris Palmer lässt auf Facebook verlauten, dass Freiluft-Partys in dieser Form nicht mehr geduldet werden, wenn die Infektionszahlen weiter steigen.

Der Holzmarkt beim »Tübinger Feierabend« Ende Juni. Foto: Kammerer
Der Holzmarkt beim »Tübinger Feierabend« Ende Juni.
Foto: Kammerer

TÜBINGEN. Der Holzmarkt ist seit einigen Wochen der Hotspot der Partyszene in Tübingen. Da bestimmte Clubs und Bars zu haben, auf die sich zu Vor-Corona-Zeiten die Masse der Feiernden etwas mehr verteilt hatte, tummeln sich nun alle auf dem Holzmarkt. Auch am Wochenende war wieder einiges los: Am Freitagabend, bei bestem Wetter, saßen hunderte junger Menschen aus Tübingen und der ganzen Umgebung bis weit nach Mitternacht auf den Treppen der Stiftskirche und in den umliegenden Gassen zusammen. Ein Polizeiauto fuhr mehrmals über den Holzmarkt und beobachtete die Szenerie.

Am Samstag mussten die Beamten dann eingreifen: Zunächst wurde ihnen gegen 01.20 Uhr über Notruf ein Streit zwischen vier Personen mitgeteilt. Diese hatten sich jedoch vor dem Eintreffen der Polizei wieder entfernt. 25 Minuten später meldete der Kommunale Ordnungsdienst eine Schlägerei zwischen zwei Personengruppen, deren alkoholisierte Beteiligte im Alter zwischen 18 und 22 Jahren wechselseitig aufeinander losgegangen waren. Nach derzeitigem Kenntnisstand zogen sich zwei Männer hierbei leichte Verletzungen zu, so die Polizei.

Als die Polizisten wegen der Schlägerei auf dem Holzmarkt eintrafen, hielten sich circa zweihundert, teilweise alkoholisierte und vereinzelt aggressive Personen am Holzmarkt auf, heißt es in der Polizeimeldung. Etliche Glasflaschen gingen zu Bruch. »In der aufgeheizten Stimmung kam es (...) in dem herrschenden Gedränge zu Missachtungen der laut Corona-VO einzuhaltenden Mindestabstandsregeln sowie zu anhaltenden Lärmbelästigungen,« schreiben die Beamten weiter. Zur Verhinderung weiterer Ordnungsstörungen und möglicher Gesundheitsgefährdungen wurden die Anwesenden um 02.20 Uhr per Lautsprecherdurchsagen angewiesen, den Holzmarkt zu verlassen. Dies geschah dann laut Polizei ohne Zwischenfälle.

Vor rund fünf Wochen hatte sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer eher unbesorgt geäußert, als er vom GEA auf ein ähnliches Getümmel bei der Aktion »Tübinger Feierabend« angesprochen worden war. Er hatte sich im Gespräch drauf bezogen, dass die Corona-Verordnung seit Juli Versammlungen von 20 Personen zulässt und dass der Kreis Tübingen schon eine Weile coronafrei sei. 

Nun bietet sich ein anderes Bild: Die Infektionszahlen nehmen bundesweit zu, auch im Kreis Tübingen gibt es wieder Fälle. Das »abendliche Gedränge« in Tübingen sei »nicht mehr hinnehmbar, wenn die Infektionszahlen steigen«, schreibt der OB am Samstag (noch vor der oben beschriebenen Schlägerei und Holzmarkt-Räumung) auf seiner Facebook-Seite. »Sollte es jetzt wieder täglich Infektionen geben, wird nichts anderes übrig bleiben, als die Zügel massiv anzuziehen.« Was das konkret bedeutet?

Palmer verweist auf GEA-Anfrage auf eine Berichtsvorlage, die im Tübinger Verwaltungsausschuss vor eineinhalb Wochen vorgetragen wurde. »In Tübingen ist besonders im Freizeitbereich eine Bereitschaft zur Inkaufnahme großer Infektionsrisiken zu beobachten«, heißt es darin. Tübingen sei nach Einschätzung der Polizei in der Region Stuttgart derzeit der Ort mit der größten Anziehungskraft für junge Leute, um draußen zu feiern. Eine Räumung der Hotsports hält die Tübinger Stadtverwaltung »ohne den massiven Einsatz der Landespolizei für nicht umsetzbar«. Theoretisch könne man auch ein zeitlich und räumlich begrenztes Versammlungs- und Alkoholverbot erlassen - das sei aber der aktuellen Situation nicht angemessen. Die Berichtsvorlage entstand aber schon Anfang Juli: Da war der Anstieg der Corona-Neuinfektionen noch viel geringer als aktuell. 

Dann wird in der Vorlage eine weitere Vorgehensweise genannt: Tübingen könnte - losgelöst von der Corona-Landesverordnung - die Zahl der Personen, die sich in der Öffentlichkeit versammeln dürfen, zwischen 20 und 4 Uhr auf zehn Personen herabsetzen. Ausgenommen davon wären Menschen, die einen Mund-Nase-Schutz tragen und solche, die die Corona-Warn-App installiert haben.

»Der Vollzug dieser Regelung ist schwierig«, heißt es weiter. »Aber leichter als die Auflösung aller Ansammlungen von mehr als 20 Personen.« Die Stadtverwaltung will nun eine Allgemeinverfügung mit entsprechender Regelung vorbereiten und den Gemeinderäten zur Diskussion vorlegen. Theoretisch könnte der OB das auch alleine bestimmen, heißt es. »Jedoch bedarf eine solche Regelung auch einer politischen Akzeptanz.«

Anfang Juli hatte Tübingen schon die Nutzung von Bluetooth-Boxen in der Öffentlichkeit nach 22 Uhr verboten. Menschen, die in der Innenstadt wohnen, klagen schon seit Jahren über den Lärm, den die jungen Partygänger verursachen. Da aber aktuell wegen Corona keine Clubs und Bars geöffnet haben, hatten sich Vorfälle mit den genannten Boxen gemehrt. (GEA)