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Genehmigung des Tübinger Haushalts: Palmer riskiert Konflikt mit dem Land

Tübingen sieht sich gut aufgestellt und braucht trotz Mindereinnahmen durch Coronakrise keine neuen Kredite. Die Abschreibungen will man aber nicht erwirtschaften

Boris Palmer
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

TÜBINGEN. Eigentlich hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, zugleich auch Finanzbürgermeister der Stadt, eine Erfolgsbilanz zu vermelden. Beim Rückblick auf die letzten zehn Jahre spricht er von einem »erfreulichen Jahrzehnt« und ergänzt gar mit Blick auf die Zukunft: »Wir haben die Stadt für die nächsten zehn Jahre gut aufgestellt, auch für noch größere Krisen.« Gleichzeitig droht aber ein Konflikt mit dem Land, was die Genehmigung des Haushalts betrifft. Nach dem neuen doppischen Haushaltsrecht muss die Stadt Abschreibungen in Höhe von zwölf Millionen Euro erwirtschaften. Das hieße, an fest Geplantem Abstriche zu machen, was der OB verweigert und auch seinen Gemeinderat ermuntert, dies zu tun. »Wir machen es nicht, weil es falsch ist.«

Vom Land wurde bisher kein Entgegenkommen signalisiert. Im Gegenteil. Der zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU) habe es abgelehnt, trotz Coronakrise das neue Haushaltsrecht auszusetzen, was Palmer für »grob falsch und bigott« hält. Denn was das Land den Kommunen vorschreibt, nämlich die Abschreibungen auf seine Straßen und seine Gebäude, zu erwirtschaften, macht es selbst nicht. »Dann sollte man das auch nicht von anderen verlangen«, sagt Palmer und weiß sich und seine Bürgermeister- und Oberbürgermeisterkollegen im Land, die alle ähnliche Probleme haben, acht Monate vor der Landtagswahl auch in guter Position: »Da ist das Drohpotenzial eindeutig besser.« Zumal fast alle anderen Städte schlimmer dran seien als Tübingen, sagt Palmer und drückt speziell sein Mitgefühl für seinen Reutlinger Kollegen aus. Als Erstes soll nun über den Städtetag Druck aufgebaut werden.

Starkes Rücklagenwachstum

Demgegenüber steht Tübingen eigentlich glänzend da. Mit einem Jahresabschluss von 2019 im Rücken, der rundweg positiv ausgefallen ist. Die Zuführung an den Vermögenshaushalt konnte gegenüber dem Plan um rund zwölf Millionen gesteigert werden auf 34 Millionen Euro. Die Rücklagen sind gar um 85 Millionen Euro statt geplanter zehn Millionen Euro gewachsen, was es so noch nie gegeben habe. Der Schuldenstand hat sich um elf Millionen Euro auf rund 51 Millionen Euro reduziert, wobei dabei eigentlich 20 Millionen Euro für Grundstücke nicht berücksichtigt werden sollten, die die Stadt erworben hat und wieder zu verkaufen gedenkt. Wenn das herausgerechnet wird, liegt die Pro-Kopf-Verschuldung Tübingens bei 329 Euro, der Landesdurchschnitt Ende 2018 betrug 436 Euro.

Somit läge Tübingen mit 55 Millionen Euro im positiven Bereich. Das Anlagevermögen der Stadt, also Straßen und Gebäude im Wert von 516 Millionen Euro, sei komplett bezahlt. Als Vermögenswerte führt Palmer auch das Eigenkapital von Tochtergesellschaften wie den Stadtwerken an, das sich auch auf 122 Millionen Euro summiert.

Mit all dem sei man gut gewappnet für Corona- und Klimakrise. Gegen Letztere habe die Stadt auch schon etwas getan. Die erreichte CO2-Reduktion von 2006 bis 2017 hätte Schäden in Höhe von 159 Millionen Euro verhindert, rechnet Palmer vor. Durch das Plus an Arbeitsplätzen von 25 Prozent und der Einwohner um zwölf Prozent verursache man aber immer noch erhebliche Schäden. Zwei Investitionsschwerpunkte gibt es daher für die Zukunft: »Bildung und Klimaschutz.« (al)