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Aktuell Entdeckung

Forscher der Uni Tübingen machen bedeutenden Goldfund bei Ammerbuch-Reusten

Bei einer Ausgrabung der Universität Tübingen und des Landesamts für Denkmalpflege wurde ein besonderer Fund gemacht: Eine kleine Spirale aus Golddraht, die etwa 3.800 Jahre alt ist - es ist der älteste Goldfund in Baden-Württemberg.

Das Spiralröllchen aus Golddraht fand sich als Beigabe in einem frühbronzezeitlichen Frauengrab in Ammerbuch-Reusten, Kreis Tübi
Das Spiralröllchen aus Golddraht fand sich als Beigabe in einem frühbronzezeitlichen Frauengrab in Ammerbuch-Reusten, Kreis Tübingen. Foto: Yvonne Mühleis, LAD Esslingen
Das Spiralröllchen aus Golddraht fand sich als Beigabe in einem frühbronzezeitlichen Frauengrab in Ammerbuch-Reusten, Kreis Tübingen.
Foto: Yvonne Mühleis, LAD Esslingen

TÜBINGEN. Der bisher älteste sicher datierte Edelmetallfund in Südwestdeutschland wurde im Herbst 2020 bei der Ausgrabung eines frühbronzezeitlichen Frauengrabs nahe Ammerbuch-Reusten, Kreis Tübingen, entdeckt, wie die Universität Tübingen nun mitteilt. Die kleine Spirale aus Golddraht ist den Analysen zufolge etwa 3.800 Jahre alt. Edelmetallfunde aus dieser Zeit sind in Südwestdeutschland sehr selten. Das Gold des Spiralröllchens stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus Cornwall im Südwesten Englands. Als ungewöhnlich frühes Zeugnis der weitreichenden Kontakte der damaligen Menschen für solche Luxusobjekte misst das ausgrabende Forschungsteam dem Fund eine hohe kulturhistorische Bedeutung bei. Leiter der Grabung waren Professor Raiko Krauß vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen und Dr. Jörg Bofinger vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.

Frühbronzezeitliche Frauenbestattung in Fundlage. Der grüne Messnagel oben markiert in etwa die Fundlage der Goldspirale.
Frühbronzezeitliche Frauenbestattung in Fundlage. Der grüne Messnagel oben markiert in etwa die Fundlage der Goldspirale. Foto: Uni Tübingen
Frühbronzezeitliche Frauenbestattung in Fundlage. Der grüne Messnagel oben markiert in etwa die Fundlage der Goldspirale.
Foto: Uni Tübingen

Möglicherweise Haarschmuck

Bei der Grabung stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass die Frau in seitlicher Hockerstellung mit dem Gesicht nach Süden bestattet wurde. Diese Art der Bestattung ordnen sie noch in eine Tradition der ausgehenden Jungsteinzeit in Mitteleuropa ein. Als einzige Beigabe im Grab wurde links hinter der bestatteten Frau, etwa in Hüfthöhe, das Spiralröllchen aus Golddraht gefunden. Es könnte als Haarschmuck verwendet worden sein und deutet auf einen hohen sozialen Status der Trägerin hin. Die Grablegung bestimmte das Forschungsteam über eine Radiokohlenstoffdatierung der Knochen auf den Zeitraum zwischen der Mitte des 19. und dem Ende des 17. Jahrhunderts vor unserer Zeit. So konnte es die Bestattung auf die frühe Bronzezeit eingrenzen.

Hinweise auf Herkunft aus Nordwesteuropa

Das Gold enthält rund 20 Prozent Silber, weniger als zwei Prozent Kupfer sowie Spuren von Platin und Zinn. Diese Zusammensetzung verweist auf eine natürliche Goldlegierung, wie sie typisch ist für Gold, das aus Flüssen gewaschen wurde. Das Muster der Spurenelemente ähnele dem des Golds aus Lagerstätten in Cornwall in Südwestengland, insbesondere aus dem Einzugsgebiet des Flusses Carnon, berichtet das Forschungsteam. Bemerkenswert sei der klare Bezug nach Nordwesteuropa. Die bisher bekannten älteren Gold- und Edelmetallfunde in Europa stammten dagegen beinahe ausschließlich aus Lagerstätten in Südosteuropa. Dort gebe es Nachweise, dass Schmuckgegenstände aus Gold bereits vom fünften Jahrtausend vor unserer Zeit an hergestellt wurden.

Einschalung des Grabes für die Blockbergung: Christoph Kühnbach vom Landesamt für Denkmalpflege sowie Hannah Huber und Raiko Kra
Einschalung des Grabes für die Blockbergung: Christoph Kühnbach vom Landesamt für Denkmalpflege sowie Hannah Huber und Raiko Krauß von der Universität Tübingen (von links nach rechts). Foto: Veronika Stein/Uni Tübingen
Einschalung des Grabes für die Blockbergung: Christoph Kühnbach vom Landesamt für Denkmalpflege sowie Hannah Huber und Raiko Krauß von der Universität Tübingen (von links nach rechts).
Foto: Veronika Stein/Uni Tübingen

Den neuen Goldfund aus Ammerbuch-Reusten wertet das Forschungsteam als Beleg, dass westliche Kulturgruppen in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeit wachsenden Einfluss auf Mitteleuropa gewannen. Das Frauengrab befand sich unweit einer Gruppe weiterer Bestattungen der Frühbronzezeit und steht offenbar in einem Zusammenhang mit der bekannten Höhensiedlung auf dem nahegelegenen Reustener Kirchberg. (pm)