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Aktuell Entscheidung

Boris Palmer kündigt einmonatige Auszeit als Tübinger Oberbürgermeister an

Boris Palmer
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, steht nach einer Pressekonferenz auf dem Dach eines Gebäudes. Foto: Marijan Murat
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, steht nach einer Pressekonferenz auf dem Dach eines Gebäudes.
Foto: Marijan Murat

TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich nach seinem Austritt aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf eine einmonatige Auszeit festgelegt. Im Juni werde er seine Amtsgeschäfte vorübergehend niederlegen, wie die Stadt am Dienstag mitteilte. »Auch wenn dieser Zeitraum sicher nicht ausreichen wird, um die vor mir stehende Aufgabe vollauf zu lösen, bin ich doch zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, sie anzugehen, genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen«, teilte Palmer in einem Schreiben an alle Beschäftigten der Tübinger Stadtverwaltung mit.

Cord Soehlke und Daniela Harsch übernehmen

Während der Auszeit Palmers übernimmt laut Pressemitteilung der Tübinger Stadtverwaltung der Erste Bürgermeister Cord Soehlke gemeinsam mit Bürgermeisterin Dr. Daniela Harsch die Amtsgeschäfte. »Auch in dieser Zeit wird die Stadtverwaltung weiterhin so funktionieren, wie man es von ihr kennt: effizient und gut«, sagt Soehlke, der seit 2018 der ständige allgemeine Stellvertreter des Oberbürgermeisters ist und ihn bereits mehrmals in Urlaubs- und Krankheitsabwesenheiten vertreten hat.

Derzeit sei Palmer aufgrund eines Atemweginfekts im Krankenstand, heißt es in der Mitteilung. Er solle aber, sobald die Symptome abklingen, bis zum Beginn seiner Auszeit wieder seinen Amtsgeschäften als Oberbürgermeister nachgehen. Dazu gehören auch öffentliche Termine und die Leitung von Gemeinderatssitzungen bis Ende Mai. Verzichten will Palmer allerdings auf die Teilnahme an Veranstaltungen, die Anlass zur Konfrontation bieten könnten, so die Stadtverwaltung.

Eklat um Verwendung des »N-Wortes«

Palmer hatte am Montag seinen Parteiaustritt erklärt und zuvor bekanntgegeben, eine »Auszeit« nehmen zu wollen. Am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main hatte Palmer am Freitag Stellung zu Art und Weise seiner Verwendung des »N-Wortes« genommen. Als er mit »Nazis raus«-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: »Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.«

Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmer war für seine Äußerungen heftig kritisiert worden. In einer persönlichen Erklärung vom Montag betonte Palmer, er hätte als Oberbürgermeister »niemals so reden dürfen«.(pm/dpa)

Das Schreiben von OB Boris Palmer im Wortlaut

Liebe Beschäftigte bei der Stadtverwaltung Tübingen,

ich habe am letzten Freitag einen Fehler gemacht, auf den erneut ein Sturm der Empörung losgebrochen ist. Ich weiß, dass Sie das ebenfalls betrifft, und wünsche mir sehr, dass Ihre Arbeit so wenig wie möglich davon beeinträchtigt wird. Sollten Sie meine Erklärung zu der von einer Frankfurter Demonstration ausgehenden Debatte bisher nicht erhalten haben, so füge ich diese zu Ihrer Information als Anlage bei.

In dieser Erklärung spreche ich davon, eine Auszeit zu nehmen, in der ich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen werde, um meinen Anteil an den Auseinandersetzungen aufzuarbeiten. Das heißt konkret, dass ich im Monat Juni nicht im Dienst sein werde. Auch wenn dieser Zeitraum sicher nicht ausreichen wird, um die vor mir stehende Aufgabe vollauf zu lösen, bin ich doch zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, sie anzugehen, genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen. In der Zeit meiner Abwesenheit werden mich in gewohnt zuverlässiger Manier die Beigeordneten EBM Soehlke und BM Dr. Harsch vertreten, so dass es zu keinerlei Beeinträchtigung der Verwaltungstätigkeit kommt. Im Juli übernehme ich die Dienstgeschäfte dann wieder selbst.

Die Zeit bis zu meiner geplanten Auszeit benötige ich für deren Vorbereitung. Ich habe mich heute eingehend ärztlich beraten lassen. Zweifel an meiner Dienstfähigkeit bestehen nicht. Ich habe allerdings einen meiner häufig wiederkehrenden Atemwegsinfekte eingefangen, der mich zu etwas Ruhe zwingt, die sicherlich ohnehin angezeigt wäre. Nur aus diesem Grund bin ich heute krankgeschrieben. Sobald die Symptome abklingen, werde ich wieder am Arbeitsplatz erscheinen und alle Verwaltungsaufgaben uneingeschränkt wahrnehmen.

Ich hoffe auf Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer

Oberbürgermeister