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Belsener Kapelle ist jetzt barrierefrei

Nach langer Vorplanung ist der Zugang in die Belsener Kapelle jetzt stufenlos möglich.

Pfarrer Andreas Kopp weiht in einem Festgottesdienst den barrierefreien Zugang zur Belsener Kapelle ein.  FOTO MEYER
Pfarrer Andreas Kopp weiht in einem Festgottesdienst den barrierefreien Zugang zur Belsener Kapelle ein. FOTO MEYER Foto: Jürgen Meyer
Pfarrer Andreas Kopp weiht in einem Festgottesdienst den barrierefreien Zugang zur Belsener Kapelle ein. FOTO MEYER
Foto: Jürgen Meyer

MÖSSINGEN-BELSEN. »Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag.« In einem der bekanntesten Heilungswunder von Jesus zeigen sich vier Träger kreativ. Sie können den Gehunfähigen nicht durch die Türe zum Prediger bringen, sondern suchen eine andere Lösung.

Mit einem ähnlichen Problem hat sich viele Monate lang der Belsener Kirchengemeinderat beschäftigt, so Pfarrer Andreas Kopp: »Wie bekommen wir Menschen mit Gehbeeinträchtigungen in unser Haus, um Gottesbegegnungen zu schaffen, ohne ihnen weiterhin Hindernisse in den Weg zu legen«, sagte er am Sonntag vor rund 50 Besuchern rückblickend. Denn beim morgendlichen Festgottesdienst vor der Kapelle war die Frage schon geklärt: Da konnte bereits die bauliche Fertigstellung eines barrierefreien Zugangs gefeiert werden.

Die Funktion der Schwellen

Eine Stufe am Haupteingang in die Kirche auf der kulturhistorisch bedeutenden Westseite mit den die Auferstehung symbolisierenden Steinreliefs gab es schon immer. In Zeiten der Barrierefreiheit werden Schwellen an Kirchen mittlerweile als Hindernisse angesehen. Seit in Belsen 2004 der Ablauf des Trauergottesdienstes dahingehend geändert wurde, dass der Sarg statt in der Leichenhalle auch in der Kapelle aufgebahrt werden kann, wurde die Eingangsstufe nicht nur für Rollatoren, sondern auch für die Bahrwagen zum Problem.

Dabei waren Kirchenschwellen ursprünglich so gewollt. Schwellen ließen ganz praktisch Straßenstaub, Ungeziefer und – wieder aktuell – Hochwasser draußen vor. Theologisch bildet die Kirchenschwelle die Grenze zwischen profaner und sakraler Welt. In Belsen muss nun die Türe die Rolle als Stufe zwischen Weltlichem und dem Heiligen übernehmen. Sie kann öffnen, aber auch ausschließen. Aber das soll und wird sie nicht tun. In Belsen »darf kommen, wer will«, so Kopp, der für einen Gottesdienst ohne Stufen wirbt, einen Ort der kommunikativen Begegnung »für die Einheimischen, die Reingeschmeckten und alle, die eine andere theologische Grundausrichtung haben«. Gott selbst kenne keine Barrieren in seinem Haus

Steine aus Portugal

Das Dach abzudecken, wie in der Apostelgeschichte, kam für die Belsener Kirchengemeinde freilich nicht infrage. Architekt Albert Hörz fand eine einfachere Lösung: Der bisherige Steinbelag wurde entfernt, der Untergrund angehoben und mit einer neuen grauen Steinschicht belegt. Die neue Belagsfarbe aus einem portugiesischen Steinbruch, die nicht unbedingt mit dem Sandstein des mittelalterlichen Kirchenbaus harmoniert, sei zwar gewöhnungsbedürftig, »aber Barrierefreiheit geht vor Ästhetik«, sagt Kirchengemeinderätin Ingeborg Herter, bei der die Planungsfäden zusammenliefen.

Das Gremium hatte es sich nicht leicht gemacht. Vieles musste abgestimmt werden. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte ein gewichtiges Wort mitzureden. »Dass wir das noch erleben durften! Die Pandemie hat den Zeitplan verschleppt«, bedauerte Ratsvorsitzende Anne Bayer, die allen Beteiligten ihren Dank aussprach. Insbesondere den Spendern. Rund 50.000 Euro kostete die Baumaßnahme, wovon 15.000 Euro der Gemeinderat einstimmig als Zuschuss genehmigte. Weiteres Geld kommt aus dem Landes- und Bezirkskirchenfond. Über 6.000 Euro flossen bislang als Spenden.

Im Rahmen der Baumaßnahme wurde die Beleuchtung der Fassade optimiert. »Sie wird nun in einem ganz anderen Licht erstrahlen, Nachhaltigkeitsaspekte wurden natürlich berücksichtigt«, so Herter. Außerdem bekommt die Kapelle erstmals auch einen Fahrradständer auf dem Vorplatz. Baubürgermeister Martin Gönner zeigte sich begeistert: »Eine solch konstruktive und schöne Zusammenarbeit wünscht man sich öfters.« (GEA)