MÖSSINGEN-BELSEN. »Mit bärtig, krustigem Gesicht, und einem Ziegenfell behangen. Ward hier, wie die Legende spricht, der erste Belsener gefangen. Doch horchet, was danach geschah. Die Nachwelt mag’s zum Troste lesen: Als man ihn wusch und recht besah, da ist’s ein Mössinger gewesen!«
Karl Schauber hat gerne Spitzen in Richtung der Nachbargemeinde ausgeteilt. Das kam nicht von ungefähr, wurden die Belsener doch immer wegen ihres eigenwilligen Dialekts belächelt. Die altbelsemerische Sprache, in der noch keltisches Wortgut mitschwingt, und das Brauchtum zu bewahren, waren für den Heimatforscher und Vereinsmenschen eine Lebensaufgabe. Jetzt ist der Dorfpoet im Alter von 93 Jahren gestorben.
Geboren am 9. Oktober 1926, lernte Schauber den Malerberuf und machte sich mit 24 Jahren selbstständig. Er fühlte sich der klassischen Musik hingezogen und las mit Begeisterung Lenau, Mörike und Schiller. Beim Malen kamen ihm die besten Einfälle für Gedichte, die er stets auf ein Stück Tapete schrieb.
»Was fürs Handwerk gilt, muss erst recht für die Kunst gelten«, sagte er. »Ich bin ein Feind jeder Pfuscherei. Es fällt kein Vers in den Schoß, er muss erarbeitet, gefeilt und geschliffen werden.« Schaubers Werke fanden vor allem als Lebensweisheiten weite Verbreitung und wurden bis zuletzt in Zeitungen und – gefördert vom Bernlocher Heimatdichter Hans Reyhing – in dessen Schwäbischem Heimatkalender abgedruckt: »Was immer du gewirkt, gesät in deinen tät’gen Jahren. Du wirst’s hernach, und sei es spät, in deine Scheune fahren.«
In den Bänden »Asche und Gestirn« und »Flucht und Bleibe« sammelte das Urgestein seine bekanntesten Gedichte. Vertont fanden sie Einzug ins Repertoire nicht nur des örtlichen Männerchors. Mehrere Stücke wurden auf Schallplatte gepresst.
Die italienische Akademie der Künste der Universität Salsomaggiore Terme ehrte 1982 Schaubers literarische Verdienste. Hierzulande folgte die Verleihung der Landesehrennadel. Zusammen mit Adolf Schäfer stellte er einen Bildband über Alt-Belsen zusammen, erforschte mittelalterliche Wüstungen und römische Gutshöfe. Eher zufällig entdeckte er 1971 beim Mähen die mit 1,6 Hektar Fläche größte keltische Viereckschanze in Süddeutschland: »Ich habe mich immer gefragt, warum die Wiese so komische Buckel hat, bis mir gewahr wurde, dass das künstliche Erdwälle sind.«
Für das Dichten sei ihm die Nacht die beste Zeit. »Da ist man dem Himmel näher, da kann ich Zwiesprache mit dem Schöpfer halten.« Nun sitzt er ihm wohl gegenüber. (GEA)