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Aktuell Prozess

Angriff mit Hammer auf den Kopf: Tübinger Angeklagter räumt Tat nicht ein

Justitia-Statue
Die Statue der Justitia steht mit einer Waage und einem Schwert in der Hand-. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild
Die Statue der Justitia steht mit einer Waage und einem Schwert in der Hand-. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild

TÜBINGEN. In einer Tübinger Obdachlosenunterkunft ging am 18. Juli 2020 ein Bewohner im Streit mit dem Hammer auf seinen Zimmernachbarn los und verletzte ihn mit mehreren Schlägen am Kopf schwer. Das Opfer erlitt ein Loch in der Schädeldecke und eine Vielzahl von Platzwunden. Seit Freitag muss sich nun der 50-jährige Schläger wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung vor dem Tübinger Schwurgericht verantworten.

Der untersetzte und füllige Angeklagte wirkte vor Gericht recht friedlich. Ein Mitbewohner der Unterkunft beschrieb ihn am Freitag als ruhig und als »niemals aggressiv«. »Er und gewalttätig – niemals«, meinte der Zeuge.

Allerdings redet der Angeklagte, wie man am Freitag vor Gericht verfolgen konnte, wie ein Wasserfall. Auch soll er, so berichteten am Freitag zwei Zeugen, häufig die Toilette in der Unterkunft lange blockiert haben. Und auch der Geruch, den er manchmal in der Wohngemeinschaft verbreitet hat, war offenbar nicht immer angenehm.

Mit den beiden Bewohnern, die am Freitag vor Gericht aussagten, kam der 50-Jährige aber offenbar gut aus. Mit dem dritten, dem späteren Opfer, klappte das Zusammenleben aber nicht, wohl auch, weil der Mann selbst kein einfacher Typ sei. Die Zeugen beschrieben ihn als dominant und als unangenehm, vor allem, wenn er Alkohol getrunken hatte.

Mit dem Angeklagten verfolgte der Mann wohl über Wochen eine Privatfehde. Er habe den 50-Jährigen immer »getriezt«, meinten die Zeugen. So habe er nachts öfters mal mit einem Holzschuh an die Wand des Angeklagten geschlagen. Er habe ihn auch beschimpft und alles Mögliche vorgeworfen. Und manchmal stellte er dem 50-Jährigen eine kleine Wodkaflasche außen auf die Türklinke, die dann herunterfiel, wenn die Tür aufging.

Dies geschah auch am 18. Juli gegen 14 Uhr. Es war wohl der Auftakt zu dem späteren Wutausbruch. Der 50-Jährige kam aus seinem Zimmer, regte sich über die heruntergefallene Wodkaflasche auf und warf sie seinem Kontrahenten durch dessen offene Zimmertür an den Kopf.

Gut dreieinhalb Stunden später eskalierte die Situation. Der 50-Jährige war immer noch voller Ärger und ging mit einem Hammer auf sein Opfer los. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft schlug er elfmal auf den Kopf seines Kontrahenten ein und ließ erst von ihm ab, als ein Mitbewohner, der den Tumult im Gang gehört hatte, dazukam. Der 46-Jährige griff dem Schläger, der auf dem am Boden liegenden Opfer kniete, in den Arm, damit er nicht mehr weiterschlagen konnte und drängte ihn in dessen Zimmer. Dann kümmerte er sich um das Opfer und rief den Notarzt.

Zum Sachverhalt wollte der 50-Jährige am Freitag nichts sagen, außer, dass er die Tat nicht einräume. Nach eigener Aussage leidet er an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung, zur Therapie sei er aber nicht bereit. Der 50-Jährige ist Frührentner. In die Obdachlosenunterkunft musste er ziehen, weil er aus seiner vorherigen Wohnung zwangsgeräumt wurde und er sonst auf der Straße gestanden hätte.

Seine Zukunft sieht der 50-Jährige als sehr düster an. »Welche Perspektive habe ich noch«, fragte er resignativ. Welche Perspektive der Angeklagte wirklich noch hat, wird sehr vom Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Heiner Missenhardt vom Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried abhängen. Auf dieses Gutachten wird das Schwurgericht später sicher auch sein Urteil stützen. (GEA)