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Tübinger Medizinerin: Wann Biohacking sinnvoll ist

Eisbaden, viel Bewegung, Mouth-Taping und Ernährung: Die Methoden des Biohackings sind vielfältig. Stefanie Joos, Tübinger Professorin für Allgemeinmedizin, erklärt, was davon aus medizinischer Sicht sinnvoll ist.

Eisbaden ist fester Bestandteil des Biohacking. Und es ist durchaus empfehlenswert zur Gesundheitsförderung, sagt die Tübinger M
Eisbaden ist fester Bestandteil des Biohacking. Und es ist durchaus empfehlenswert zur Gesundheitsförderung, sagt die Tübinger Medizinerin Stefanie Joos. Foto: Landesmesse Stuttgart
Eisbaden ist fester Bestandteil des Biohacking. Und es ist durchaus empfehlenswert zur Gesundheitsförderung, sagt die Tübinger Medizinerin Stefanie Joos.
Foto: Landesmesse Stuttgart

TÜBINGEN. Was Stefanie Joos, Professorin am Tübinger Institut für Allgemeinmedizin, als Gesundheitsförderung empfiehlt, ist nicht weit weg vom Lebensstil der Biohackerin Katharina Dodik: Gesunde Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte. Vieles, was heute unter Biohacking läuft, sei schon seit vielen Jahrzehnten in der Naturheilkunde erprobt, betont die Medizinerin. Von manchen Praktiken der Biohacker rät die Wissenschaftlerin allerdings ab.

Eisbaden: Nach Auskunft von Joos ist das eine ganz klassische Maßnahme der Gesundheitsförderung. »Das Wissen hatte schon der gute alte Sebastian Kneipp.« Studien zur Wirksamkeit hätten gezeigt, dass Eis- und Wechselduschen bestimmte Marker im Immunsystem verändern, sagt Joos. Allerdings reicht dafür ein einziges Eisbad nicht aus. Man muss schon öfter ins kalte Wasser steigen. Im Sinne einer Förderung der Gesundheit sei Eisbaden und Eiswandern also durchaus zu empfehlen.

Bewegung: Sport in der Natur ist ein wichtiger Teil des Biohackings. »Bewegung« nennt auch die Professorin als bedeutende Vorsorgemaßnahme, um ein gesundes Leben zu führen. Dabei geht es ihr weniger um sportliche Leistungen als um Alltagsbewegungen wie etwa Treppensteigen. Wissenschaftlich belegt sei auch der gesundheitliche Nutzen von Yoga.

Soziale Kontakte: Einsamkeit kann krank machen, sagt die Medizinerin. Vor allem auch bei alten Menschen sei es wichtig, dass sie über ein stabiles soziales Netz verfügen. Seine Freundschaften zu pflegen tut also nicht nur der Seele gut, sondern fördert auch die Gesundheit.

Nahrungsergänzungsmittel: Von der Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen rät die Ärztin ab. Eine gesunde Ernährung reiche völlig aus, um sich mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, wenn man nicht chronisch krank, schwanger oder über 80 Jahre alt ist. Ergänzungsmittel können nach Auskunft der Medizinerin durchaus auch schädlich sein. Negative Effekte habe beispielsweise ein zu viel an Vitamin E oder Magnesium. Auch Eisen sollte nur eingenommen werden, sollte tatsächlich auch Eisenmangel besteht. In diesem Fall ist die Einnahme aber nicht mehr Mittel zur Gesundheitsvorsorge, sondern Therapie. Die Einnahme von Vitamin D empfiehlt Joos nur, »wenn man gar nicht rausgeht«.

Mouth Taping: Die gesundheitliche Wirkung eines Tapes über dem Mund in der Nacht sei »absolut nicht belegt«, sagt Joos. Die Nasenatmung habe durchaus mehr Funktionen als die Mundatmung, bestätigt die Ärztin. Bei Schnarchen oder einer leichten Schlafapnoe könne ein Tape auf dem Mund möglicherweise hilfreich sein. Schwierig werde es allerdings, wenn man Probleme mit der Nasenatmung habe. Dann bekomme man unter Umständen nicht genug Sauerstoff im Schlaf. Das Tape wäre dann also eher schädlich.

Rot- und Blaulicht: Die Tiefenwärme einer Rotlichtlampe zu nutzen, wie es Dodik regelmäßig morgens tut, ist aus medizinischer Sicht nicht nötig. »Ich weiß nicht, was das bringen soll«, sagt Joos. Das Blaulicht des Computers und des Handys habe dagegen tatsächlich einen negativen Einfluss auf den Schlaf. Dodik schaltet ihr Smartphone deshalb immer eine Stunde bevor sie ins Bett geht aus. Joos findet das sinnvoll. Nicht nur aufgrund des Lichts, sondern auch aufgrund der psychischen Überlastung vor dem Einschlafen, die von den vielen Information ausgehen kann.

Ernährung: Eine mediterrane Ernährung mit viel frischem Gemüse und pflanzlichen Ölen empfiehlt die Medizinerin. »Länder wie Italien und Spanien haben uns in der Lebenserwartung überholt.« Vieles spricht dafür, dass Ernährung dabei eine entscheidende Rolle spielt.

Kontrolle: Der Lebensstil von Katharina Dodik ist streng geregelt. Der Metzingerin geht es sehr gut damit. Sie schöpft daraus Lebenskraft und Energie. Das kann allerdings, je nach Charakter, durchaus auch ins Gegenteil umschlagen. »Die Dosis macht das Gift«, sagt die Ärztin. Manche Menschen, die sich nur noch mit ihrer Gesundheit beschäftigen, entwickeln Ängste oder Zwänge, die im schlimmsten Fall zu einer psychischen Erkrankung führen, erklärt Joos. »Der Mensch und die Gesundheit brauchen ein Gleichgewicht aus Anspannung und Entspannung, Kontrolle und Lockerlassen.« Der Eine mehr, die Andere weniger. (iwa)