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Rüge für Palmer: Dürfen »auffällige Flüchtlinge« erfasst werden?

Der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink rügt den Tübinger OB und fordert erneut eine Rechtsgrundlage für die Erfassung von »auffälligen Flüchtlingen«

Stefan Brink (links) und Boris Palmer.
Stefan Brink (links) und Boris Palmer. Foto: dpa
Stefan Brink (links) und Boris Palmer.
Foto: dpa

TÜBINGEN. Der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hat gestern, bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichtes, die Stadt Tübingen scharf kritisiert. Am Nachmittag hat Oberbürgermeister Boris Palmer mit einer Pressemitteilung reagiert.

Bei Brink sorgt die sogenannte »Liste der Auffälligen«, die in Tübingen geführt wird, für Unmut und Unverständnis. Auf dieser Liste stehen Geflüchtete, die die Verwaltung als potenzielle Gefahr sieht, weil sie straffällig geworden sind oder als gewaltbereit aufgefallen sind. Schon im vergangenen Herbst habe er also von der Verwaltung eine »Rechtsgrundlage« für diese Liste gefordert, sagt Brink. »Solche Listen werden sonst nirgendwo in Baden-Württemberg geführt.« Er wollte wissen: Was muss man tun, um auf dieser Liste zu landen? Und mit welchen Gesetzen wird das gerechtfertigt? Auf seinen Fragenkatalog habe er eine Stellungnahme bekommen, die »alles andere als befriedigend« gewesen sei, so Brink. Vielmehr habe sich Tübingens OB »nur politisch geäußert«.

Dieser rechtfertigt die besagte Liste mit dem »Schutz der Mitarbeiterschaft und der Bevölkerung«. Den Datenaustausch in puncto auffällig gewordenen Asylbewerbern zu verbieten, das sei »nicht der Datenschutz, den sich die Bevölkerung wünscht«. Nachdem die erste Anfrage Brinks nicht zu dessen Zufriedenheit beantwortet wurde, wandte er sich erneut an die Tübinger Verwaltung. Wieder bekam er keine Antwort, die ihn zufriedenstellte. Tübingens OB Palmer wandte sich daraufhin per Brief an CDU-Innenminister Thomas Strobl. In diesem Brief, der dem GEA vorliegt, begründet er die »Liste der Auffälligen« mit Gewalttaten von Asylbewerbern aus dem ganzen Bundesgebiet, die zum Zeitpunkt ihrer Taten entweder vorbestraft waren oder die Behörden über ihr Alter und ihre Herkunft getäuscht hatten.

Außerdem beschwert sich Palmer über die wiederholten Anfragen des Landesdatenschutzbeauftragten: »Für die Fachleute in meinem Haus ist nicht mehr erkennbar, welche Antworten der Datenschutzbeauftragte erwartet.« Er bitte Strobl, »sich der Sache anzunehmen«. Strobls Fazit am Ende eines vierseitigen Antwortschreibens: Der Landesdatenschutzbeauftragte unterstehe nicht seinem Haus, er könne auf dessen Arbeit also keinen Einfluss nehmen.

Im Dezember hatten Brink und die Tübinger Verwaltung zum letzten Mal Kontakt. Wie es nun weiter geht? Brink: »Wir hoffen, dass Herr Palmer die Unterlagen nun nachreicht.« Sonst werde er die Kommunalaufsicht und das Innenministerium informieren, um die Stadt Tübingen »auf den richtigen Weg zurückzuführen«. Wenn sich die Verwaltung weiterhin uneinsichtig zeige, werde der Streit wohl vor einem Verwaltungsgericht enden.

Brink findet OB Palmers Bestrebungen, seine Mitarbeiter und die Tübinger Bevölkerung zu schützen, übrigens nicht per se falsch. Aber die »Verweigerungshaltung der Stadt« ist für ihn »unverständlich«. Boris Palmer lässt seinerseits in der letzten Pressemitteilung nicht mehr viel Gutes an der Arbeit des Landesdatenschutzbeauftragten: »Herr Brink betätigt sich nicht mehr als Leiter einer Behörde, sondern als Politiker.« Der Datenschützer sieht das logischerweise anders: »Das gehört zu meinen Aufgaben.« (GEA)