TÜBINGEN. Elisabeth Hege war knapp 13 Jahre Dekanin des Kirchenbezirks Tübingen. In der Tübinger Stiftskirche feierte sie am Sonntag ihren letzten Gottesdienst in diesem Amt. Nach dessen Abschluss dauerte es rund zwei Stunden bis sie zu ihrer Abschiedsparty in der benachbarten Alten Aula gelangte: Viele Menschen reihten sich auf, um sich in einem persönlichen Gespräch von ihr zu verabschieden. Das gefiel Elisabeth Hege: »Ich habe meinen Abschied genossen!«
Im Gottesdienst zuvor hatten drei Wegbegleiter persönliche und wertschätzende Grußworte gesprochen. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer verwies auf den »Denkfehler« der Protestanten in der Stadt, Elisabeth Hege als »unsere Dekanin« einzuvernehmen – sie sei ja für sämtliche evangelische Gemeinden im Landkreis zuständig gewesen. Birgit Weyl, Dekanin der evangelisch-theologischen Fakultät der Uni Tübingen, freute sich darüber, dass zwei Frauen parallel im Grunde dasselbe Amt ausgeübt hatten, Elisabeth Hege in der Praxis, sie selbst in der Ausbildung.
Der Kirchentellinsfurter Pfarrer Tomas Begovic stand bis letztes Jahr dem katholischen Dekanat Rottenburg vor. Er sprach von selbstverständlicher und vertraulicher Zusammenarbeit mit Elisabeth Hege in ökumenischen Projekten und Trägerschaften. Diese bezeichnete ihre Vorgängerin Marie-Luise Kling-de Lazzer, die am Sonntag auch in der Stiftskirche war, als eine Pionierin.
Zu Beginn der Amtszeit waren Frauen deutlich seltener in diesem Amt vertreten
»Als sie vor gut 30 Jahren antrat,waren Frauen noch selten in diesem Amt«, so Elisabeth Hege. Ab 2010 seien immer mehr in führende Positionen der evangelischen Kirche in Deutschland gerückt. Frauen, die ein höheres Amt anstrebten sei zuvor immer wieder dieselbe Frage gestellt worden: Ob sich so ein Amt mit der Rolle als Mutter einer Familie vereinbaren lasse.
Elisabeth Hege, aus einer schwäbischen Familie stammend, wuchs zusammen mit ihren vier Brüdern auf einem Einzelhof im Hohenlohischen auf. Sie studierte in Tübingen, ging dann in den Pfarrdienst und übernahm später das mittlerweile in einem anderen Bezirk aufgegangene Dekanat in Ditzingen. 2012 wurde sie Dekanin in Tübingen, dem nach wie vor größten Kirchenbezirk in Württemberg. Damit übernahm sie die Verantwortung für über 70 Pfarrpersonen und noch viel mehr Mitarbeiter: »Mesner, Hausmeister, Musiker, Menschen in der Verwaltung, Erzieher, Sozialarbeiter – eine tolle Bandbreite an Berufen.«
Dekanat in der Neckarhalde wurde zum Lebensmittelpunkt
Ihr Lebensmittelpunkt der letzten knapp 13 Jahre war das Dekanat in der Tübinger Neckarhalde: »Da habe ich mehr Zeit verbracht als in meiner Wohnung nebenan!« Dort fanden, wie in der Villa Metz in der Südstadt, viele Konferenzen und andere Gesprächsrunden statt. Es sei »eine Sünd’ und eine Schand’, dass ich dort im Garten nie ein Sommerfest veranstaltet habe«, bedauert Hege im Nachhinein.
Die Stiftskirche sei »kein heimeliger Ort« gewesen, »aber einer mit einer unglaublichen Ausstrahlung«, so die scheidende Dekanin. Letztes Jahr sei die Erfahrung der leeren Stiftskirche beeindruckend gewesen – für mehrere Wochen waren die Kirchenbänke entfernt worden. »Diese fünf Wochen waren unglaublich!« Elisabeth Hege sagte, die Stiftskirche habe auf sie auch bei Trauerfeiern stark gewirkt, wenn die Tübinger Stadtgemeinschaft von einem der ihren Abschied nahm. Etwa im Sommer, als der langjährige Gemeinderat Bernd Gugel starb.
Stiftskirche »kein heimeliger Ort, aber einer mit unglaublicher Ausstrahlung«
Der Pfarrerin Susanne Wolf ist Elisabeth Hege für eines besonders dankbar: »Sie hat mich immer zum Dienst an Silvester eingeteilt.« Bis 20 Minuten vor Mitternacht spielten Musiker eine Motette, dann ging man raus vor die Kirche und schaute auf die Feuerwerke in der Ferne. »Das war immer ein Highlight für mich.« Genauso willkommen waren Hege die Osternacht-Gottesdienste, die im Dunklen begannen und im Morgengrauen endeten.
Als das Schönste an ihrem Abschied in der Stiftskirche empfand Elisabeth Hege am Sonntag den von der Pfarrerschaft einstudierten Chorsatz »Denn er hat seinen Engeln befohlen …« von Felix Mendelssohn Bartholdy: »Das geht hoch rauf. Da braucht man ein paar frische schlanke Soprane. Die haben das wahnsinnig schön gesungen! Mehr brauchte es nicht.« (GEA)

