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»Verlass dich auf mich«

REUTLINGEN. »Verlass dich auf mich, morgen komme ich wieder«. Das ist nicht nur der Titel von Lin Hallbergs Roman, sondern auch der Satz, den die 15-jährige Jóhanna jedes Mal bei ihrem Abschiedsritual zu ihrem geliebten Pony Kaspar sagt. Seit er ihr Pflegepferd wurde, ist er immer Mittelpunkt ihres Lebens gewesen. Da blieb keine Zeit für Freundschaften, keine Zeit für die Beziehung zu ihrer Mutter. Erst jetzt merkt Jóhanna bewusst, dass sie dieser nie verziehen hat, dass sie ihren Vater verlassen hat und mit Jóhanna weggezogen ist. Weg von Island und dem Hof, wo die junge Familie zusammen mit den Großeltern gelebt hat, in die Heimat ihrer Mutter: Schweden, damals ein fremdes Land für die Fünfjährige.

Zeitweise schafft Jóhanna es, die Trauer über Kasper einzuschließen, versucht, eine Andere zu sein. Als ihre Großmutter nach einem Schlaganfall im Krankenhaus liegt und sie weiß, dass das womöglich die einzige Chance ist, die Großmutter noch einmal zu sehen, fliegt sie in ihre alte Heimat. In Island merkt sie, dass die Wunden von damals noch lange nicht verheilt sind und Kaspar lediglich eine Art Kruste war, die, als er noch lebte, verhinderte, dass sie von Neuem anfingen zu bluten. »Kasper hat die Liebe bekommen, die ich euch nie geben konnte. Als sie ihn getötet haben, war plötzlich keine mehr da«, sagt sie im Buch zu ihrem Vater. Nur langsam findet sie zu ihrem alten Ich zurück. Erst am Ende weiß sie, wer sie ist.

Nicht nur was für Pferde-Fans

»Verlass dich auf mich, morgen komme ich wieder« ist sicherlich keine leichte Lektüre. Es ist vielmehr ein sehr tiefgründiges Buch, das sich auch mit schwierigen Fragen auseinandersetzt, zum Nachdenken anregt und in dem jeder Leser sicher auch seinen eigenen Sinn erkennt.

Kurz: Es ist eher kein Buch, um sich an langweiligen Regentagen die Zeit zu verkürzen und hat eigentlich nichts von einer einfachen »Mädchen auf dem Ponyhof«-Geschichte. Deshalb würde ich sagen, dass es auch für Nicht-Pferdeinteressierte geeignet ist, gewiss aber auch nicht jedermanns Geschmack trifft. (ZmS)

Hannah Robertz, Evangelisches Firstwald-Gymnasium, Mössingen, Klasse 8a