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Aktuell INTERVIEW

Sie sind in der Not für andere da

REUTLINGEN. Tagtäglich sind sie im Einsatz, sie sind auch dann zur Stelle, wenn uns einmal etwas passiert: die Reutlinger Rettungsassistenten des Deutschen Roten Kreuzes. 18 000 Mal im Jahr rücken sie aus, um den Menschen im Landkreis Reutlingen in medizinischen Notfällen zu helfen. Dazu gehören die Einzugsgebiete Engstingen, Bad Urach und Münsingen mit der Hauptrettungswache in der Steinenbergstraße in Reutlingen. Wir haben uns mit Rettungsassistent Niklas Heinemann und Rettungsdienstleiter Wilfried Müller unterhalten.

ZmS: Wie lange arbeiten Sie schon für das Rote Kreuz, und wie kam es dazu?

Niklas Heinemann: Ich bin jetzt mittlerweile seit sechs Jahren dabei, davon vier Jahre als Rettungsassistent. Ich wollte schon immer etwas im medizinischen Bereich machen. Dann hat ein Bekannter gesagt, ich könnte mein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) doch hier machen, quasi als Zivildienstersatz.

»Am meisten gefällt mir, dass man Menschen in schlimmen Situationen beistehen kann«
Was machen Sie genau als Rettungsassistent?

Heinemann: Wir als Rettungsassistenten gestalten und wirken in der Notfallrettung mit. Das heißt, wenn jemand einen medizinischen Notfall hat und anruft, dann disponiert die Leitstelle zunächst meistens einen Rettungswagen oder eben einen Krankentransport und gegebenenfalls – wenn es um Leben und Tod geht – auch den Notarzt dazu. Dann fahren wir raus und helfen den Personen zu helfen.

Welche Aufgabe haben Sie bei so einem Notfall?

Heinemann: Die Fahrzeuge sind meistens mit zwei Rettungsassistenten besetzt, und dann wechseln wir die Rollen jeden Tag durch – also wir fahren, sind aber auch für die medizinische Versorgung und Betreuung der Patienten zuständig.

Was gefällt Ihnen am meisten an diesem Beruf?

Heinemann: Am meisten, würde ich sagen, gefällt mir, dass man viel mit Menschen zu tun hat und ihnen in schlimmen Situationen, die passieren, beistehen kann.

Gibt es eine bestimmte Erfahrung, an die Sie sich noch lange erinnern werden?

Heinemann: Ich denke, am meisten erinnert man sich an die Menschen, denen man helfen konnte und die dann dankbar sind und sich noch einmal melden.

Was sind häufige Notfälle bei Jugendlichen?

Heinemann: Bei jungen Damen sind es meistens zum Glück keine Unfälle, sondern eher Kreislaufnotfälle oder ganz klassisch eine Hyperventilation, wenn es einen psychischen Ausnahmezustand gibt.

Und insgesamt?

Wilfried Müller: Zwei Drittel der Einsätze sind wegen akuter Erkrankungen, der gesamte Unfallbereich macht nur etwa 20 Prozent aus. Verkehrsunfälle liegen bei etwa acht Prozent. Dazu kommen Arbeits-, Freizeit-, Sport-, Wege- und Hausunfälle. Außerdem merkt man auch, dass wir eine alternde Gesellschaft sind, deshalb liegen die meisten Fälle auch in der Altersgruppe von 50 aufwärts.

Wie viele Notfälle hängen mit Alkohol zusammen?

Heinemann: Eine genaue Anzahl gibt es da nicht, aber an den Wochenenden ist es natürlich gehäufter, wobei es nicht nur Jugendliche sind, die es über die Maße treiben, sondern auch an Alkoholsucht Erkrankte, in allen Altersgruppen.

Was sind die Schwierigkeiten an Ihrem Beruf?

Heinemann: Dass man immer Schritt behält und sich natürlich auch ständig weiter bildet.

Müller: Ein weiteres Problem sind die vielen Wechselschichten, das heißt Tag und Nacht, Sonn- und Feiertag. Außerdem haben wir eine 48-Stunden-Woche, das heißt, wir sind 48 Stunden anwesend davon bekommen wir aber nur 38,5 Stunden bezahlt. In einer 12-Stunden- Schicht muss ich 3 Stunden nichts tun, muss aber anwesend sein, falls etwas passiert. Die Bezahlung ist noch ein großes Problem, ich rede gerade von Familienvätern und jungen Leuten. Die haben zu wenig Geld für das, was sie an Verantwortung tragen und das, was sie leisten, und zwar sowohl geistig als auch körperlich, denn nicht jeder Patient wiegt 50 kg und wohnt im ersten Stock.

Gibt es trotzdem Situationen in denen Sie lieber einen anderen Beruf gewählt hätten?

Heinemann: Gerade dann, wenn man eine etwas schwerere Person auf einen Stuhl aus dem fünften. Stock holen muss und das Ganze natürlich noch mit einem Lächeln, fällt einem das manchmal schon schwer.

Wie viele Angestellte sind hier während einer Schicht?

Müller: Kommt immer darauf an, tagsüber ist natürlich deutlich mehr los, in der Spitzenzeit sind wir hier in der Notfallrettung zu neunt, bei Nacht sind es sieben.

»Für junge Leute ist es sicher einer der schönsten Jobs, die man haben kann«
Wenn Sie zu einem Unfall kommen, gibt es da eine bestimmte Reihenfolge, nach der alles abläuft?

Heinemann: Also, es gibt Leitlinien, nach denen wir uns richten müssen. Wie versorge ich den Patienten am besten, wie viele Personen sind betroffen, und was haben sie für Verletzungen. Und auch ein Rest an Eigeninitiative gehört dazu. Aber es ist natürlich nie dieselbe Situation.

Wie viele Leute machen hier im Durchschnitt ihr FSJ, und wie viele bleiben dabei?

Heinemann: Durchschnittlich 20, mal mehr mal weniger, davon bleiben meistens zwischen drei und fünf.

Ist Rettungsassistent Ihr Traumberuf?

Heinemann: Jetzt gerade ja, aber für immer nicht, weil es doch so anstrengend ist. Im Alter stell ich es mir schwierig vor, das weiterhin zu machen. Aber jetzt, für junge Leute, ist es sicher einer der schönsten Jobs, die man haben kann. (ZmS)

Jana Süßbrich und Louisa Teufel, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9d