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Sie bedecken sich, weil es so im Koran steht

MÖSSINGEN. 12.36 Uhr, am Quenstedt- Gymnasium in Mössingen herrscht reges Treiben. Alle streben dem Ausgang entgegen, einige rennen, um ihren Bus noch zu erwischen. Eigentlich wie an allen Schulen. In der Menge heben sich weithin sichtbar zwei kopftuchtragende Mädchen ab. Es sind die Schwestern Dilek (19) und Serap (16) Aydin. Sie tragen das Kopftuch ungefähr seit der fünften Klasse und sind im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit ihrem außergewöhnlichem »Kopfschmuck«.

Die beiden werden nicht dazu gezwungen, sie tragen das Kopftuch freiwillig. Warum? »Ich lernte in der Koranschule, was für eine Bedeutung das Kopftuch hat. Es ist ein Schutz. Man - beziehungsweise Frau - bedecke damit ihre «Reize», und auch der Koran überzeugte mich, dass es richtig ist.«

». . . sage den gläubigen Frauen, dass sie manche von ihren Blicken zurückhalten und ihre Scham hüten und nicht ihren Schmuck sichtbar machen«, heißt im Koran. ». . . und sie sollen ihre Kopftücher über ihre Kleiderausschnitte schlagen, und nicht ihren Schmuck sichtbar machen, - außer ihren Ehemännern oder ihren Vätern . . . oder ihren Söhnen . . . oder ihren Brüdern, oder ihren Kindern . . .« (Koran, 24. Sure, AINur, 31. Satz) An dieser Stelle im Koran sieht man, wie wichtig die Haare einer Frau im Islam sind, so dass sie sogar als Schmuck bezeichnet werden.

Auch die 19-jährige Abiturientin Dilek findet, dass es nur Sinn macht eine Religion ganz auszuüben, und nicht nur Bruchstücke davon. Lange wurde die kopftuchtragende muslimische Lehrerin Fereshta Ludin kritisiert. Ab Frühjahr 2004 gilt das bereits in Bayern gültige Anti-Kopftuch-Gesetz auch in Baden-Württemberg. Denn Kultusministerin Annette Schawan (CDU) ist nach wie vor der Ansicht, dass das Kopftuch kein religiöses, sondern ein politisches Symbol sei.

»Es heißt ja nicht, dass man, wenn man ein Kopftuch trägt, nicht denken kann«, meint Serap nur. Dilek ist der Meinung, dass man sich um wichtigere Dinge auf der Welt kümmern sollte, wie zum Beispiel Kriege, Krankheiten und Hungersnöte, denn allmählich werde die Diskussion um das Kopftuch »lächerlich und absurd«. Außerdem sollte man das Kopftuch eher als eine Art Kleidungs- oder Schmuckstück sehen, und nicht als Versuch der »Islamisierung«. Immerhin gebe es in Deutschland ja die Religionsfreiheit.

Auch der Imam des Islamischen Vereins Mössingen, Mehmet Karabey, fände es schade, wenn es in Deutschland demnächst das Kopftuchverbot gäbe. Imam Karabey findet nämlich, dass die Deutschen den Islam besser leben als die Muslime zum Beispiel in der Türkei selbst. Dort ist es nämlich verboten, das Kopftuch an Universitäten oder an Schulen zu tragen, und das findet er intolerant. Zum Islam gehöre auch Toleranz anderen Religionen gegenüber, und Karabey wünscht sich sowohl von den Moslems als auch von den Deutschen mehr Toleranz. Nur dann könne jeder seine Religion zufrieden ausleben.

Auch seine Töchter tragen ein Kopftuch - freiwillig, so wie Serap und Dilek, weil auch sie finden, dass es zu ihrer Religion gehört. Und weil sie unter anderem vom Koran überzeugt wurden, dass es richtig ist. Und die Meinung der deutschen Jungen dazu? Dumme Kommentare kommen fast nie von ihnen. »Wir haben uns halt dran gewöhnt, und stören tut es auch nicht«, so Tim Bäuerle, ein langjähriger Schulkamerad von Serap.

Doch natürlich gibt es auch Frauen, die kein Kopftuch tragen. Seraps Cousine zum Beispiel trägt keines. »Ich muss es nicht tragen und will es auch nicht«, ist die einfache Begründung der Fünftklässlerin Sinem Özdemir. Es gibt auch »ältere« Frauen unter den Verwandten der Aydins, die kein Kopftuch tragen, doch das ist jeder selbst überlassen.

Jede muss irgendwann einmal für sich selbst Rechenschaft abgeben und nicht für andere, davon sind die Schwestern Dilek und Serap fest überzeugt. In Deutschland wird also noch diskutiert, ob man das Kopftuch erlauben soll - aber wie ist es in Frankreich, wo ja viel mehr Moslems leben wie hier? Austauschpartner aus Saint-Julien-en-Genevois, der Partnerstadt von Mössingen, erzählten, dass es durchaus erlaubt ist, ein Kopftuch zu tragen, und größere Schwierigkeiten bekommt man dadurch auch nicht. (ZmS)



Mirjam Zimmermann, Quenstedt- Gymnasium Mössingen, Klasse 10c