Logo
Aktuell Fernsehen

Realität frei nach Drehbuch

REUTLINGEN. Wenn man sich einmal das Mittagsprogramm der deutschen Privatfernsehsender anschaut, fällt auf, dass dort fast ausschließlich sogenannte Doku-Soaps laufen. Diese sind im Grunde nichts anderes als die Nachfolger der klassischen Seifenopern (Soap=Seife). Allerdings handelt es sich meistens um »Scripted Reality«-Formate. Wer den Begriff »Scripted Reality« einmal genauer betrachtet, dem sollte der Widerspruch eigentlich rasch auffallen.

Dem Zuschauer soll vermittelt werden, dass die dort gezeigten Charaktere sowie die Handlung real sind, in Wirklichkeit aber gibt es zu jeder Folge ein Drehbuch, an das sich die Schauspieler halten müssen. Die Schauspieler übrigens sind Laien, die von sogenannten »Castern« auf der Straße gesucht werden. Sie sollen dabei eine oder mehrere der folgenden Eigenschaften erfüllen: dick, dumm, hübsch, hässlich ... Falls ein Klischee nicht ausreichend erfüllt wird, wird vom Produzenten etwas »dazugetextet«.

Mit Witz und Ironie hinterfragen

Apropos dazugetextet: Viele Leute erkennen nicht, was geschauspielert ist und was nicht. Sprecher der Produktionsfirmen versuchen das immer wieder zu dementieren. Doch eine Studie laut »Spiegel« hat ergeben, dass nur 22 Prozent der 6- bis 18-Jährigen klar ist, dass die Geschichten frei erfunden sind. Fast die Hälfte der Befragten meinte, die gezeigten Ereignisse wären nachgespielt und ein Drittel dachte, alles wäre genauso passiert wie im Fernsehen gezeigt. So ist es auch nicht erstaunlich, dass viele Politiker und Prominente dadurch die Glaubwürdigkeit der Privatsender gefährdet sehen.

Trotz allem haben viele dieser Formate hohe Quoten. Auch einige meiner Klassenkameraden schauen solche Formate, obwohl sie die Qualität der Sendung auf einer Skala von 1 bis 5 durchschnittlich mit 4,3 angaben. Dabei fiel auf, dass Jungen die Sendungen im Schnitt etwas schlechter bewerteten als Mädchen. Dafür schätzten sie die wichtigsten deutschen Mediensatiren »Switch Reloaded« und »Kalkofes Mattscheibe« deutlich besser ein. Hier werden die Inhalte mit Witz und Ironie hinterfragt.

Warum sich nun doch immer wieder Menschen finden, die bei diesen Pseudo-Dokumentationen mitspielen, ist uns unerklärlich. Mittlerweile sollte eigentlich jeder Mensch wissen, auf was er sich dabei einlässt. Für die meisten von ihnen ist wohl der geringe Geldbetrag oder der Wunsch, einmal im Leben im Fernsehen zu sein, Grund genug, sich vor Millionen von Zuschauern zu blamieren. (ZmS)

Martin Geyer und Simon Gass, Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9b