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Aktuell Freizeit

Lautlos über den Wolken

REUTLINGEN. Einsteigen, anschnallen, Vorflugcheck, eingeklinkt werden und dann von der Winde am anderen Ende des Flugplatzes mit hoher Geschwindigkeit in die Lüfte gezogen werden. Segelfliegen. Für manche ist das ein unvorstellbares Hobby, denn viele haben Höhenangst und finden Fliegen zu gefährlich. Mich schreckt nichts ab. Ich bin stolzes Mitglied des Luftsportvereins Reutlingen (LVR) und fliege seit März dieses Jahres meine Runden an Wochenenden oder auch in den Ferien auf dem Übersberg bei Pfullingen.

In der Wintersaison ist das anders. Es werden in der Werkstatt, die in Reutlingen liegt, die Segelflugzeuge nacheinander sauber gemacht, poliert und hergerichtet für einen jährlichen Check. Für die Flugschüler gibt es jetzt auch Theorieunterricht bei verschiedenen Fluglehrern, die die zukünftigen Pilotinnen und Piloten auf ihre Theorieprüfungen vorbereiten. Die Teilnahme an einem Funksprechlehrgang mit anschließender Prüfung, die entweder auf Deutsch (BZF2) oder auf Englisch (BZF1) gemacht werden kann, wird für den Segelflugschein oder auch für andere Flugscheine vorausgesetzt.

Ein Mal auf den Hintern klopfen

Einmal im Jahr wird zusätzlich ein zweiwöchiges Fluglager organisiert, bei dem der Verein gemeinsam einen anderen Flugplatz belagert. Das heißt, nach dem gemütlichen Frühstück werden die Flugzeuge aufgebaut, dann wird – soweit das Wetter mitmacht – so lange wie möglich geflogen. Falls das Wetter nicht mitspielt, wird zum Beispiel das nächstliegende Hallenbad besucht, Bowling gespielt, Kart gefahren oder andere Sehenswürdigkeiten der Gegend besucht. Das Fluglager ist perfekt für Flugschüler, weil sie dort viel Erfahrung sammeln können und auch der eine oder andere seinen ersten Alleinflug schafft.

Am Saisonanfang, am letzten Tag eines Wettbewerbes, während des Fluglagers, an Halloween oder auch an anderen Tagen werden Partys organisiert. An Silvester wird das Feuerwerk vom Mädelesfelsen aus betrachtet und gemeinsam mit Sekt angestoßen. Filmabende oder auch das »Frühshoppen« am Weihnachtsmorgen ergänzen das Vereinsleben.

Weitere Rituale: Beim LVR darf nach dem ersten Alleinflug eines Flugschülers jedes anwesende Vereinsmitglied dem Schüler einmal auf den Hintern klopfen, dies soll das nötige Gefühl der Thermik unterstreichen. Natürlich muss der Flugschüler einen Kasten Bier spendieren. Vergisst man den Spornkuller (die am Flugzeugheck angebrachte Rangierhilfe) zu entfernen, ist ebenfalls ein Kasten Bier fällig – für die Jüngeren gibt’s natürlich ein alkoholfreies Getränk.

Der Vereinsbeitrag kommt ganz auf einen selbst an. Starten kann man mit einer Schnuppermitgliedschaft für drei Monate, die dann in eine aktive Mitgliedschaft umgewandelt werden kann. Jeder Start kostet durch den Betrieb der Winde Geld, es kommt auch darauf an, mit welchem Flugzeug man fliegt. Jedes Vereinsmitglied muss eine bestimmte Anzahl an Arbeitsstunden leisten: Dienste bei Wettbewerben, in der Werkstatt oder auch bei Gewerbeschauen.

Steigen mit dem Bart

Was passiert, wenn man in der Luft ist und es plötzlich keinen Wind mehr gibt? Eine häufige Frage, auf die es eine einfache Antwort gibt: Nichts, denn ein Flugzeug fliegt nicht wie ein Drache, den Kinder im Herbst steigen lassen, mithilfe des Windes, sondern durch bestimmte Kräfte, die auf die Flügel einwirken. Das funktioniert so: An der Oberseite des Flügels wird Unterdruck erzeugt, der das Flugzeug nach oben zieht, an der Unterseite wird Überdruck erzeugt, der das Flugzeug nach oben drückt. Das Steigen des Flugzeuges wird durch den Auftrieb warmer Luft erzeugt – auch Thermik oder Bart genannt. (ZmS)

Nadja Marianowski, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9a