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Aktuell Zeitung macht Schule

Fernsehen ohne Chips

REUTLINGEN. Manchmal funktioniert es einfach nicht mehr. Wenn das Zusammenleben von Eltern und Jugendlichen unmöglich wird, bringt das Jugendamt die noch nicht volljährigen jungen Leute in Wohngruppen (WG) unter. Ein ZmS-Team hat sich eine Wohngruppe von »Pro Juventa« angesehen und mit einer Bewohnerin sowie der Betreuerin Marion Schaible gesprochen.

Die häufigsten Gründe, warum Jugendliche in einer Wohngruppe leben, sind Schwierigkeiten im Elternhaus, darunter Probleme, sich an einen neuen Elternteil zu gewöhnen, oder Gewalt-Erfahrungen. Aber auch schulische Angelegenheiten. Den Jugendlichen, die in eine Wohngruppe einziehen, fällt es aber oft auch nicht leicht, sich an ihre neue Umgebung und an die Regeln der Betreuer zu gewöhnen. Anfangs fühlen sich die meisten allein gelassen und unterdrücken ihre Probleme. Sobald sie sich aber eingelebt haben, lockert sich die Atmosphäre, und die Jugendlichen wirken offener und kontaktfreudiger.

Der Tag beginnt mit einem Frühstück. Danach begeben sich die Jugendlichen zur Schule oder an den Ausbildungsplatz. Zum Mittagessen gibt es einen Imbiss, der von den Betreuern oder auch von den Jugendlichen selbst zubereitet wird. Hauptmahlzeit ist das Abendessen. Dafür ist einer der Jugendlichen zuständig. Beim Putzdienst, an den sich die WG-Bewohner halten müssen, wechseln sie sich ab. In manchen Wohngruppen ist es Pflicht, sich eine Stunde nach dem Mittagessen mit Schulaufgaben zu beschäftigen.

Eigene Küche unterm Dach

Dann ist Freizeit angesagt, in der sich die Bewohner mit Freunden treffen oder in die Stadt gehen. An- und Abmeldung ist aber wichtig, damit die Betreuer wissen, wo sich ihre »Kids« aufhalten. Einmal in der Woche dürfen sich die Jugendlichen vom Abendessen abmelden. Ausgang unter der Woche ist ab 16 Jahren bis maximal 23 Uhr. Auch für 18-Jährige gelten die allgemeinen Regeln. Nach Absprache mit den Betreuern gibt es am Wochenende Ausnahmen, bei denen man länger ausgehen darf.

Die 19-jährige Nina Pöschel wohnt schon seit drei Jahren in der WG von »Pro Juventa«. Wegen Kommunikationsschwierigkeiten mit den Eltern und Stress in der Schule kam sie in die Wohngruppe, um selbstständiger zu werden. Da Nina die Älteste ist, hat sie eine eigene kleine Küche im Dachgeschoss. Woran sie sich aber noch nicht so ganz gewöhnt hat, ist das momentane Verbot, keine Knabbereien im Fernsehzimmer zu verzehren. Weil die Bewohner die Reste anschließend nicht aufgeräumt haben, sind Chips beim Fernsehen derzeit tabu. Trotzdem nimmt sie es gelassen hin.

Zurzeit macht Nina eine Ausbildung zur Malerin. Von ihrem Gehalt bleiben ihr 175 Euro im Monat. Dazu bekommt sie 78 Euro Taschengeld, 40 Euro für Klamotten und 10 Euro für Hygieneartikel. Von den Eltern bekommt sie keine finanzielle Unterstützung, jedoch ist ihr Verhältnis zu ihnen besser als zuvor. Sobald Nina eine eigene Wohnung außerhalb von »Pro Juventa« gefunden hat, ist sie auf sich allein gestellt. Wer Schwierigkeiten zu Hause hat, kann sich ans Jugendamt wenden, das im alleräußersten Fall, wenn nichts anderes mehr hilft, in eine Wohngruppe vermittelt. (ZmS)



Olga Mescherjakow, Jacklyn Ertl und Marina Lasevic, Theodor-Heuss-Schule Reutlingen WS 1/2