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Aktuell INTERVIEW

»Es muss die ganze Familie mitziehen«

ST. JOHANN. Der Bauernhof meines Onkels Gebhard Reichenecker ist seit Generationen in Familienbesitz. Zusammen mit seiner Frau führt er den Hof in Upfingen als Nebenerwerbslandwirt, wobei der Schwerpunkt auf Ackerbau und Mastviehbetrieb liegt. In den Sommerferien verbringe ich viel Zeit auf seinem Hof. Gerne helfe ich bei der Heu- und der Getreideernte mit. Gerade in der Erntezeit wird auf einem Bauernhof jede helfende Hand benötigt. Ich helfe bei der Silage mit, bei der Tierfütterung und beim Herrichten des Futters. Die Fahrten mit dem Traktor und den entsprechenden Arbeitsmaschinen dazu sind natürlich die besten Arbeitseinsätze für mich.

ZmS: Bist Du Landwirt oder Bauer?

Gebhard Reichenecker: Landwirt ist heutzutage ein gelernter Landwirt. Ein Bauer war ja früher in der Familie und wurde von der Familie eingelernt.

Welchen Schwerpunkt verfolgst Du auf Deinem Hof?

Reichenecker: Bullenmast und Schweinemast. Der Ackerbau ist der größte Teil auf meinem Hof. Ich verkaufe außerdem noch Heu und Stroh an verschiedene Pferdebesitzer.

Welche Sorten Getreide baust Du an?

Reichenecker: Ich baue Weizen, Sommergerste, Wintergerste, Hafer und Dinkel an.

Was passiert mit dem Getreide, wenn es reif ist?

Reichenecker: Es wird geerntet und zum Händler gebracht, zum Beispiel nach Münsingen.

Was schätzt Du an diesem Beruf, was ist eigentlich das Schöne daran, Landwirt zu sein?

Reichenecker: Die Abwechslung von den vier Jahreszeiten bringt verschiedene Herausforderung mit sich. Es ist was anderes wie in einer Fabrik. In einer Fabrik sind die Arbeitsabläufe gleich. Ich bin in der Landwirtschaft viel in der Natur und ich kann die Arbeitszusammenhänge wachsen sehen – so zusagen von der Saat bis zur Ernte. Als Landwirt muss ich auch sehr vielseitig sein und mich in vielen Bereichen zusätzlich auskennen, zum Beispiel in technischen Abläufen, wenn eine Maschine kaputt geht.

Wie sieht der Alltag auf dem Hof aus?

Reichenecker: Der Stall muss täglich zweimal gemacht werden, morgens und abends. Das Futter für die Tiere muss auch hingerichtet werden. Übers Jahr verteilt, gibt es jahreszeitlich abhängige Arbeit.

Ist es gut, einen Hof im Nebenerwerb zu betreiben?

Reichenecker: Es gehört viel Idealismus dazu. Es wird einem Landwirt nicht leichter gemacht durch die vielen Vorschriften der EU, das heißt Brüssel regiert viel in der Landwirtschaft mit – sicherlich eine große organisatorische Herausforderung. Es muss die ganze Familie mitziehen, sonst ist es kaum möglich, einen Hof zu halten.

Was ist geblieben von einem Landwirt früher im Vergleich zu heute?

Reichenecker: Heute ist mehr Bürokratie wie in früheren Jahren. Die Erntezeit ist geblieben nur heute mit mehr Technik und weniger Handarbeit. Heute kannst du zwölf Hektar Heu an einem Tag ernten, früher höchstens einen Hektar.

Hat sich in der Tierhaltung in den letzten Jahren etwas verändert?

Reichenecker: In den nächsten Jahren wird das Tierwohl aus politischer Sicht mehr gefordert. Es bleibt aber die Frage, ob der Verbraucher den Mehraufwand beziehungsweise den Standard an der Ladenkasse honoriert.

Welche Größe muss ein Betrieb haben, um davon leben zu können?

Reichenecker: Das kommt auf den Betrieb an, welches Produkt er produziert beziehungsweise vermarktet. Ob also einer in einer Nische etwas produziert, was kaum einer anbietet oder ob er was produziert, was viele im Landkreis anbieten. Außerdem kommt es darauf an, ob der Landwirt sich mit seinem Produkt am Weltmarktpreis orientieren muss, oder ob er seinen eigenen Preis machen kann.

Ich bedanke mich, dass Du Dir Zeit genommen hast. (ZmS)

Niklas Herrmann, GWRS Würtingen, Klasse 9