Logo
Aktuell Soziales

Ein Leben in Dunkelheit

Jürgen Viesel ist fast blind. Um sein Leben zu meistern, ist er nicht nur auf seinen Taststock angewiesen, sondern vor allem auf seine Hündin Lara - und natürlich auf seine Lebensgefährtin Gina. FOTO: ZMS
Jürgen Viesel ist fast blind. Um sein Leben zu meistern, ist er nicht nur auf seinen Taststock angewiesen, sondern vor allem auf seine Hündin Lara - und natürlich auf seine Lebensgefährtin Gina. FOTO: ZMS
Jürgen Viesel ist fast blind. Um sein Leben zu meistern, ist er nicht nur auf seinen Taststock angewiesen, sondern vor allem auf seine Hündin Lara - und natürlich auf seine Lebensgefährtin Gina. FOTO: ZMS
BAD URACH. Um das Thema Blindheit ging es beim Kindertreff des Württembergischen Brüderbunds am 8. November in Bad Urach. Zu Gast waren Jürgen Viesel (42), seine Lebenspartnerin Gina und sein Blindenführhund Lara (7). Im Kindertreff - eine Art Jungschar für Kinder von fünf bis neun Jahren - erzählte Conny Schäfer die biblische Geschichte vom blinden Bartimäus, die von einem Mann handelt, der schon sein ganzes Leben lang blind war. Er bettelte jeden Tag von früh bis spät in derselben Straße. Als Jesus in Jericho gerade in seiner Straße vorbeiläuft, fängt Bartimäus plötzlich an zu schreien, sodass ihn Jesus hört. Als er zu Jesus gebracht wird, heilte er den Mann, und er kann wieder sehen.

Ohne Lara ist alles nichts

Nach der Geschichte konnten die Kinder durch ein paar Spiele heraus finden, wie es ist, ohne sein Augenlicht im täglichen Leben klarzukommen. So durfte jedes Kind durch eine spezielle Blindenbrille schauen. Schnell stellten sie fest, dass sie nur hell und dunkel unterscheiden konnten, nicht aber einen festen Gegenstand.

Danach kam, passend zu der Geschichte, Jürgen Viesel mit Gina und seinem Blindenhund und sorgte für große Spannung. Herr Viesel wurde nach einem Autounfall sehbehindert. Heute hat er nur noch auf dem linken Auge ein Restsehvermögen von zwei Prozent.

Zuerst erzählte er, wie man überhaupt zu einem Blindenhund kommt. Denn schon nach guten zehn Monaten muss der Hund von seiner Mutter weg, und es wird entschieden, ob er für einen Führhund der Richtige ist. Später lernt der Hund sechs bis zwölf Monate, welche Aufgaben er nun zu tun hat und wie er sie zu verrichten hat. Am Ende wird geschaut, ob der blinde Mensch zum ausgewählten Hund passt, denn die Größe und die Laufgeschwindigkeit müssen stimmen - um nur zwei Dinge zu nennen. Wenn das der Fall ist, werden die häufigsten Wege abgelaufen, sodass der Blindenhund alles weiß. Nun wird dem Sehbehinderten erklärt, wie er seinen Hund zu pflegen hat. Wegen der hohen Anforderungen kostet ein gut ausgebildeter Blindenhund zwischen 25- und 30 000 Euro.

Wenn ein Schild oder ein Ast auf den Gehweg hereinhängt - Hindernisse, die man mit einem Taststock nicht erkennen kann - führt Blindenhund Lara sein Herrchen außen herum vorbei. Wenn der Gehweg zu Ende ist, stellt der Hund sich vor die Beine des Blinden.

Erstaunlich ist aber auch, dass Jürgen Viesel trotz Sehbehinderung als gelernter Bürokaufmann arbeitet. Eine Umstellung ist dabei sehr notwendig gewesen. Es musste ein spezieller Computer beschafft werden, der ihm das Bildschirmbild vorliest oder sogar durch die sogenannte Braille-Schrift (von Louis Braille erfunden) erfühlen lassen kann. Diese Schrift ist für Blinde sehr wichtig. Blinde können mit ihr lesen oder sogar Karten spielen.

Außerdem besitzt Jürgen Viesel ein Handy, das mit ihm spricht. Doch er hat auch eigene »Tricks«. So kann er Geldscheine unterscheiden, weil er weiß, wie groß die jeweiligen Scheine im Verhältnis zu seinen Fingern sind. So gibt es für Blinde und sehbehinderte Menschen viele Anfertigungen und Tricks, sich in den »normalen« Alltag hineinzufinden.

Nudeln auf zwölf

Die Kinder und Jugendlichen wollten von Jürgen Viesel wissen, wie er merkt, dass er seinen Teller leer gegessen hat. Der 42-Jährige stellt sich seinen Teller wie eine Uhr vor. Es liegen etwa Nudeln in Richtung zwölf Uhr und das Fleisch bei sechs Uhr. Es kommt es schon mal vor, dass er der Meinung ist, der Teller sei leer gegessen, doch dann erklärt ihm Gina, auf welcher Zahl noch etwas liegt.

Für die Kinder war die Begegnung mit Jürgen Viesel aufregend und interessant zugleich. Besonders Lara kam bei den Kindern und Jugendlichen gut an. Alles in allem waren Kinder und Jugendliche, Mitarbeiter und Leiter sehr erfreut und es gab einen riesigen Applaus. (ZmS)

Benjamin Schäfer, Graf-Eberhard-Gymnasium Bad Urach, Klasse 9d

www.gea.de/zms