Logo
Aktuell Zeitung macht Schule

Der weiße Stock ist eine große Hilfe

REUTLINGEN. In Reutlingen begegnet man öfters Menschen mit weißem Stock - Blinden oder Sehbehinderten also. Die Bezirksgruppe Reutlingen im Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) Ost-Baden-Württemberg zählt zur Zeit rund 90 Mitglieder. Eberhard Hahn aus Reutlingen ist ein Mitglied des Spitzenverbandes der Blinden und Sehbehinderten und war so freundlich, uns ein paar Fragen zu beantworten.

ZmS: Sind Sie von Geburt an blind?

Eberhard Hahn: Ja. Ich bin von Geburt an blind. Aber ich habe noch einen kleinen Sehrest mit einem punktförmigen Gesichtsfeld. Es ist wie, wenn man durch ein Strohhalm schaut.

Wie ist ihre Schulzeit verlaufen?

Hahn: Ich besuchte zwei Jahre die Grundschule in Sondelfingen und anschließend die Blindenschule »Nikolaus Pflege« in Stuttgart, an der ich die Gelegenheit hatte, die Blindenschrift, zu lernen, die durch Abtasten mit den Fingern gelesen wird. Danach besuchte ich das Blindengymnasium in Marburg. Nach dem Abitur studierte ich Mathematik an der Universität Tübingen und war später als Diplom-Mathematiker im Rechenzentrum der Uni Tübingen tätig. In dieser Zeit machte ich auch den Doktor in Mathematik.

Welche Hilfsmittel konnten Sie für das Studium und Ihre Arbeit nutzen?

Hahn: Im Studium habe ich viel mit dem Tonbandgerät gearbeitet, beispielsweise habe ich Vorlesungen auf Band aufgezeichnet oder mir Bücher auflesen lassen. Später in der Arbeit konnte ich dann mit Hilfe von der »Braillezeile« am Computer arbeiten. Die »Braillezeile« ist ein Hilfsmittel, das Texte in Blindenschrift anzeigt, die normal vom Bildschirm abgelesen werden.

Welche Hobbys haben Sie?

Hahn: Hauptsächlich die Musik, ich spiele Klavier und Orgel und singe in Chören mit. Dazu benutze ich die Blindennotenschrift. Orgel und Klavierstücke muss ich auswendig lernen, da ich die Hände zum Lesen brauche.

Ist es schwer, sich im Alltag zurechtzufinden?

Hahn: Daheim ist es leicht, da man sich dort sehr gut auskennt, aber in der Stadt ist es schwieriger. Es gibt viele Gefahren wie zum Beispiel Baustellen oder Gegenstände wie Mülleimer. Eine sehr große Hilfe ist dabei der Blindenstock, mit dem man den Boden nach Hindernissen abtasten kann. Auch mit Hilfe des Gehörs kann man Hindernisse wie etwa parkende Autos am Schall erahnen. Schwer ist es aber, den richtigen Bus zu bekommen. Wenn an einer Bushaltestelle wie zum Beispiel dem Listplatz in Reutlingen mehrere Busse zur gleichen Zeit halten. Bis ich mich dann durchgefragt habe, welches der richtige Bus ist, ist dieser oft schon weitergefahren.

Hatten Sie schon mal einen ernsthaften Unfall wegen Ihrer Sehbehinderung?

Hahn: Nein, außer einer gerissenen Achillessehne, die ich mir beim Aussteigen aus der Straßenbahn zugezogen habe, ist nichts Schlimmeres passiert.

Was unternimmt die Stadt, um Blinden zu helfen?

Hahn: Die Stadt rüstet zum Beispiel Ampeln an Kreuzungen, die häufig von Blinden passiert werden, mit speziellen Vorrichtungen aus. Diese Ampeln geben ständig ein Tick-Geräusch von sich, damit man als Blinder die Ampel finden kann. Dort kann man mit einem Knopf, ein akustisches Signal anfordern, das während der nächsten Grünphase ertönt. Es gibt auch so genannte »Leitlinien«, das sind Rillen im Bürgersteig, die man mit dem Blindenstock abtasten kann, um zu einem bestimmten Ort, wie etwa zu Bushaltestellen oder Ampeln, zu gelangen.

Helfen Ihnen andere Personen bei Problemen?

Hahn: Ja, ich habe bis jetzt nur gute Erfahrungen gemacht. Ich werde oft von Menschen angesprochen: »Kann ich Ihnen helfen?« (ZmS)



Christoph Hahn, Fabian Schwarzkopf und Benedict Hillebrand, Albert Einstein Gymnasium Reutlingen, Klasse 10d