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»Den Menschen und Gott nahe sein«

PLIEZHAUSEN. Was bewegt einen Menschen, Pfarrer zu werden? Ist es schwierig, als schwarzer Ausländer in Deutschland zu leben, und gibt es Unterschiede zu Pfarrern deutscher Nationalität? Komplizierte Fragen. Ich bin in Pliezhausen auf einen katholischen Pfarrer gestoßen, der mir diese Fragen beantworten kann: Pfarrer Dr. Achille Mutombo-Mwana, der 1998 nach Deutschland gekommen ist und aus dem Kongo stammt.

ZmS: Wie sind Sie auf den Beruf Pfarrer gekommen?

Dr. Achille Mutombo-Mwana: Eine große Rolle hat meine Mutter gespielt. Sie erzählte einmal die Geschichte von Abraham und wie viele Nachkommen er bekommen hat. Daraufhin sagte sie, dass es nicht schlecht wäre, wenn einige ihrer Kinder sich Gott widmen würden. Ich war auf einer Schule mit Priestern als Lehrer. Es hat mir sehr gefallen. Daraufhin sagte ich mir, warum nicht ich diesen Weg einschlagen sollte. Diesen Weg ging ich jedoch erst später konsequent, da es am Anfang nur ein Kindertraum war, wie zum Beispiel andere Kinder Astronaut oder Schauspieler werden möchten. Vor allem das Milieu, die Familie und die Gemeinde haben dafür gesorgt, dass ich später dann Pfarrer wurde.

Wie sind Sie nach Deutschland beziehungsweise nach Pliezhausen gekommen?

Mutombo: Im Kongo bin ich einem Pfarrer aus Tübingen begegnet, der mich fragte, ob ich keine Lust hätte, nach Tübingen zu kommen. Ursprünglich sollte ich nach Reutlingen in die Gemeinde St. Wolfgang gehen. Doch da ich zu spät kam, war die ausgesuchte Wohnung schon vergeben. Daraufhin kam der Vorschlag, ich solle nach Kiebingen gehen, da dort ein Priester aus Uruguay gerade ausgezogen war. Nach einiger Zeit kam ich dann nach Pliezhausen, da der Vorgänger gerade weggegangen war und ich dorthin auch schon so manche Kontakte hatte.

»Eine große Rolle hat meine Mutter gespielt«

Würden Sie auch in andere Gemeinden gehen, oder würden Sie doch lieber in Pliezhausen beziehungsweise Mittelstadt bleiben?

Mutombo: Natürlich bin ich in Pliezhausen schon verwurzelt, doch als Pfarrer verspricht man Gehorsam gegenüber dem Bischof. Wenn dieser mich an einen anderen Ort schicken würde, würde ich sofort dorthin gehen.

Wie lange bleiben Sie noch in Deutschland?

Mutombo: Ich habe keine Ahnung. Früher dachte ich, dass ich nicht so lange in Deutschland bleiben würde, doch inzwischen bin ich schon länger da, als ich jemals gedacht hatte.

Wie war Ihre bisherige Geschichte als Pfarrer?

Mutombo: Wie ich schon sagte, war ich am Anfang in Kiebingen beziehungsweise in Dußlingen und Gomaringen tätig. Dorthin habe ich zwar noch Kontakte, doch nicht auf offizieller, sondern eher auf privater Ebene. Nach meiner Zeit dort kam ich nach Pliezhausen.

Hatten Sie schon einmal hier in Deutschland Probleme wegen Ihrer Hautfarbe beziehungsweise überhaupt als Ausländer?

Mutombo: Nein, bis jetzt noch nicht.

Lebt Ihre ganze Familie im Kongo?

Mutombo: Ja, fast die ganze Familie. Ich habe nur zwei Brüder, die ebenfalls im Ausland leben, nachdem meine Familie aus der Provinz Katanga vertrieben wurde und nicht mehr dorthin zurückkehren konnte.

Wie groß ist Ihre Familie?

Mutombo: Wir waren insgesamt 14 Kinder, von denen inzwischen drei gestorben sind. Meine Mutter ist ebenfalls bereits gestorben. Im Ganzen habe ich 28 Nichten und Neffen.

Haben Sie regelmäßig Kontakt zu Ihrer Familie?

Mutombo: Ja. In den letzten Jahren geht es sehr gut, da man viele Nachrichten oder Fotos sehr schnell per E-Mail verschicken kann. Außerdem kann man heutzutage sehr billig in andere Länder telefonieren. Seltener ist jedoch das Briefeschreiben geworden, da die Post im Kongo nicht gut funktioniert.

Wie oft haben Sie die Möglichkeit in den Kongo zu fliegen?

Mutombo: Eigentlich nicht sehr oft. Insgesamt bin ich im Abstand von ein bis zwei Jahren schon drei Mal in den Kongo geflogen.

Beeinflusst Sie die politische Lage im Kongo in Ihrem Denken und in Ihrer Arbeit hier?

Mutombo: Sie beeinflusst mich schon ein bisschen, aber ich versuche, nichts spüren zu lassen. Ich will die politische Lage und die Gemeinde trennen. Daher rede ich darüber nur mit ein paar Menschen, die interessiert sind und mich danach fragen.

Haben oder wünschen Sie sich eine Möglichkeit, die sozialen Verhältnisse Ihrer Landsleute und Angehörigen zu verbessern?

Mutombo: Natürlich wünsche ich mir, die Verhältnisse verbessern zu können, aber wie? Der Kongo ist ein sehr reiches Land. Es gibt sehr viele Bodenschätze dort, doch die Bevölkerung ist trotzdem sehr arm. Die Möglichkeiten sind mehr als gut um Sachen zu verbessern, doch die Struktur der Welt, die Gegensätze, bringen die armen Länder in einen Teufelskreis. Die Mächtigen dieser Welt marschieren in die armen Länder, wie beispielsweise den Kongo, und setzen dort Marionetten ein, die die Bodenschätze mit der Begründung holen, dass die Einwohner sie nicht brauchen, da sie sich gar nicht wehren. Wehren sie sich jedoch, so werden sie gleich als Terroristen bezeichnet. Ich bemühe mich, das Beste zu machen und vielen zu helfen, um ihnen somit eine Chance für ein besseres Leben zu geben.

Unterscheidet sich Ihre Tätigkeit als Pfarrer von denen anderer Pfarrer?

Mutombo: Ich weiß es nicht. Jeder Pfarrer hat seinen eigenen Stil und er ist da, um der Gemeinde zur Verfügung zu stehen und am Leben der Gemeinde teilzunehmen. Die Gemeinschaft mit den Menschen muss erlebt und es müssen gute Kontakte zu allen gepflegt werden. Stimmen die Begegnungen des Pfarrers mit den Menschen, so stimmt der Gottesdienst. Dies macht wahrscheinlich jeder Pfarrer anders.

»Ich will die politische Lage und die Gemeinde trennen«

Gefällt Ihnen Ihr Beruf?

Mutombo: Ja. Ich fühle mich dabei wohl, und ich versuche dies bemerkbar zu machen. Ansonsten hätte ich wahrscheinlich schon aufgehört.

Was gefällt Ihnen daran besonders?

Mutombo: Ich weiß nicht, wie ich das in Worte fassen soll. Einfach den Menschen und Gott nahe zu sein und für sie da zu sein.

Wo liegen die Schwerpunkte in Ihrer Arbeit?

Mutombo: Das ist unterschiedlich. Zur Adventszeit ist es die Pflege der Liturgie, und im Frühling sind es wieder die Kinder, die zur Kommunion oder zur Firmung kommen. Es gibt verschiedene Menschen und damit auch verschiedene Erwartungen, sodass es schwer ist, sich auf etwas festzulegen.

Was sehen Sie als Ihre persönlichen Stärken an?

Mutombo: Keine Ahnung, da immer die anderen die Schiedsrichter sind. Sie müssen entscheiden, wo die Stärken bei Menschen sind. Doch Stärke spielt gar keine so große Rolle. In der Geschichte haben oft schwache Persönlichkeiten viel bewirkt. Das Wichtigste ist jedoch, dass man klein vor Gott ist.

Was ist für Sie an Ihrer Arbeit besonders wichtig?

Mutombo: Besonders wichtig ist für mich, Gott nahe zu kommen, denn das heißt auch den Menschen nahe zu kommen und ihre Freuden und ihr Leid mit ihnen zu teilen, sodass keine Erfahrung fremd bleibt.

Welche Möglichkeiten sehen Sie angesichts der vielen Kirchenaustritte und der kritischen Stellung gegenüber der Kirche, Kirche den Menschen und vor allem den Jugendlichen näher zu bringen?

Mutombo: Dafür gibt es kein Rezept. Man muss nur bei den Menschen sein, ihre Sprache benutzen, sie in Fragen begleiten und seinen Standpunkt klar und deutlich vertreten. Doch letztlich liegt die Entscheidung bei den Menschen. Außerdem kann man noch ein breiteres Angebot bieten, von dem sich die Menschen angesprochen fühlen, wie zum Beispiel Familiengottesdienste. Ich denke aber nicht, dass die Religion verschwinden wird. Die Bindung zur Kirche lockert sich, doch die Suche nach dem Sinn im Leben bleibt.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Interview und vor allem dafür, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben. (ZmS)

Sascha Kolatschek BZN-Gymnasium Klasse 10d