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Aktuell INTERVIEW

Das Trauma des Kosovo-Kriegs

DETTINGEN. Der Krieg im Kosovo hat Tausenden von Menschen das Leben gekostet. Viele verloren ihre ganze Existenz und sind bis heute noch traumatisiert. Ich weiß es deshalb so gut, weil meine Familie im Kosovo selber davon betroffen war. Viele Angehörige meiner albanischen Familie verloren ihr Leben im Krieg. Ich denke, dass man derart leidvolle Erfahrungen nie vergessen kann und sollte. Deshalb habe ich meinen Onkel Mentor, der auch im Krieg dabei war und jetzt in der Schweiz lebt, interviewt.

ZmS: Mentor, was war für Dich Dein schlimmstes Erlebnis?

Mentor: Ich kann mich noch genau an ein Erlebnis erinnern, das ich auch nie vergessen werde. Es war an einem Dienstagvormittag. Ich war mit meiner Schwester alleine zu Hause und habe im Wohnzimmer eine Musik-Sendung geschaut. Da ist meine Schwester hereingestürmt und hat geschrien, ich solle mich sofort verstecken, weil die serbische Polizei schon im Hof steht und mich sucht. Die Polizisten hatten an dem Tag schon zwei meiner Cousins, die weniger Glück als ich hatten, verschleppt. Ich bin sofort aufgestanden und konnte gerade noch rechtzeitig aus dem Fenster springen, ohne dass die Polizei mich erwischen konnte, weil das Fenster an der Rückseite des Hauses war. Ich habe mich dann drei Stunden lang im Maisfeld versteckt. Wenn meine Schwester nicht sofort reagiert hätte, hätte man mich auch verschleppt, verprügelt und dann ins Gefängnis gesteckt.

Ich weiß ja, dass Dein Vater von den Serben umgebracht wurde. Was kannst Du mir darüber sagen?

Mentor: Ja, das war wirklich sehr schlimm. Es ereignete sich am 27. April 1999. Alle aus unserem Dorf mussten fliehen, weil die Serben angefangen haben alle Dörfer anzuzünden. Also haben sich alle aus dem Dorf zusammengetan und wollten gemeinsam mit dem Traktor nach Albanien ziehen. Meine Eltern waren ungefähr in der Mitte der Kolonne und alle hatten große Angst, dass etwas passieren könnte. Als sie im Dorf Meje angekommen waren, haben sie entdeckt, dass die Cetniks, also die serbischen Ultranationalisten, schon auf sie warteten und alle Traktoren anhielten. Das Schlimmste war, dass sie nicht mal schwangere Frauen, kleine Kinder und ältere Männer verschont haben. Alle mussten sich der Reihe nach aufstellen. Die restlichen Frauen und Mädchen mussten alleine weiterziehen. Dabei haben sie innerlich schon gewusst, dass sie die Männer nie mehr wieder sehen würden. Alleine an diesem Tag wurden 500 Menschen von den Cetniks umgebracht. Mein Vater, zwei meiner Onkels, eine Cousine und drei Cousins waren unter den 500, die sie in Meje erschossen haben. Anschließend wurden ihre Leichen nach Serbien transportiert und in einem Massengrab beerdigt.

Ich hoffe nur, dass so was nie wieder passiert! (ZmS)

Edolina Beqiraj, Schillerschule Dettingen, Klasse 8