ZmS: Herr Richter Leinberger, was hat Sie dazu bewegt, den Beruf Jugendrichter auszuüben?
Ulrich Leinberger: Den Beruf des Jugendrichters wählt man so nicht einfach aus. Wenn man sich nach dem Studium und der Referendarzeit bei der Justiz bewirbt, muss man praktisch alle Tätigkeiten ausüben. Das heißt, Strafrichter und Zivilrichter. Das Präsidium des jeweiligen Gerichts, das sind also einige Richter, die von den anderen Richtern gewählt wurden, entscheidet, welcher Richter welche Tätigkeit ausübt. Man kann bei diesem Gremium natürlich Interessen anmelden, aber ob diese dann auch tatsächlich berücksichtigt werden, entscheidet letztlich das Präsidium.
Wie lange haben Sie studiert, um Jugendrichter zu werden?
Leinberger: Ich habe elf Semester Jura studiert. Dann schloss sich die Referendarzeit an, die damals noch drei Jahre gedauert hat. Anschließend kam das zweite Staatsexamen, und dann musste man sich um eine Tätigkeit bewerben. Man kann als Volljurist Rechtsanwalt werden; man kann zur Verwaltung oder zur Justiz gehen.
Was sind Ihre Tätigkeiten als Jugendrichter?
Leinberger: Die Tätigkeit als Jugendrichter unterscheidet sich in der Tätigkeit als solcher nicht von einem Erwachsenenstrafrichter. Man hat die Verhandlungen zu leiten, das Urteil zu fällen und anschließend das schriftliche Urteil zu verfassen.
Welche Leute sind bei einer Verhandlung dabei?
Leinberger: Bei einer Gerichtsverhandlung sind natürlich der Angeklagte, ein Staatsanwalt, ein Protokollführer, der Richter und gegebenenfalls auch ein Verteidiger dabei.
Wer fällt außer Ihnen noch das Urteil?
Leinberger: Beim Schöffengericht, ob nun Erwachsenenschöffengericht oder Jugendschöffengericht, sind noch zwei Schöffen dabei, die gleichberechtigt mit dem Berufsrichter über den Fall entscheiden.
Was ist die häufigste Anklage gegen Jugendliche?
Leinberger: Körperverletzungsdelikte und Diebstähle.
Wie schätzen Sie das ein: Wird durch Ihr Urteil die Karriere der Jugendlichen verbaut?
Leinberger: Ich glaube nicht, dass durch ein Urteil die Karriere eines Jugendlichen verbaut wird. In der Regel fängt man sozusagen klein an. Es fängt mit Arbeitszuweisungen oder Geldauflagen an. Erst wenn einer sich schon mehrfach vor Gericht verantworten musste, kommt man zur Verhängung einer Jugendstrafe, die zunächst zur Bewährung ausgesetzt wird, so dass der Betroffene die Chance hat, nach Ablauf dieser Bewährungszeit die Strafe erlassen zu bekommen.
Haben Sie manchmal nach einer Verhandlung das Gefühl, zu hart geurteilt zu haben?
Leinberger: Nein.
Wie reagieren die Jugendlichen auf Ihr Urteil?
Leinberger: Die Reaktionen der Jugendlichen sind sehr unterschiedlich. In der Regel bemerkt man allerdings keine speziellen Reaktionen, die Jugendlichen sind in der Regel eher erleichtert, wenn sie ihre Gerichtsverhandlung hinter sich haben.
Haben Sie manchmal Angst, dass sich ein früher von Ihnen verurteilter Täter nach dem Verbüßen seiner Strafe rächen könnte?
Leinberger: Nein! Ich habe auch noch nie von Fällen gehört, in denen dies eingetreten wäre. (ZmS) Magdalena Zwiehoff, Miriam Kusch und Ann-Kathrin Zacharias, Karl-von-Frisch-Gymnasium Dußlingen, Klasse 9c