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Arme und Beine sind tabu

REUTLINGEN. Hallo, ich bin Ferdinand, ein ganz normales Hallen-Radballfahrrad. Tagein, tagaus stehe ich kopfüber auf meinem geschwungenen Lenker in der Theodor-Heuss-Sporthalle und sehne mich nach Bewegung. Einst fertigte man mein »Gerippe« (Rahmen) aus purem Stahl, befestigte einen Sattel in der »Gerippeverlängerung« und gab mir ewig mitlaufende »Arme« (Pedale).

Ich erinnere mich noch genau, wie ich so 1990 handgefertigt, glänzend und ohne Bremse dastand, leicht verlegen mit meinen schlauchlosen Reifen, die direkt auf die Felgen geklebt waren. Doch dann kam der Tag, an dem ich das erste Mal gebraucht wurde. Es dauerte nicht lange, da hatte ich die Grundregeln des Radballs begriffen: Du musst den mit Rosshaar gefüllten und mit Leinenstoff überzogenen harten, zirka 500 bis 600 Gramm schweren Ball mit Hilfe deines ganzen »Metallkörpers« (Rad) und der Zuhilfenahme deines »Reiters«, der jedoch weder Arme noch Beine benutzen darf, in das zwei Quadratmeter große gegnerische Tor befördern.

Das ginge ja noch. Aber mein Freund, der Mensch, darf nicht den Boden berühren, sonst muss er einmal um die Torauslinie fahren. Deshalb müssen wir, als Stahl- und Menschen-Team, stark zusammenhalten. Doch nicht nur wir als »Feld-Team« halten fest zusammen, nein auch unsere Brüder, das »Tor-Team«, muss untereinander und vor allem mit uns gut zusammenarbeiten. So, nun hatte ich die Basisregeln begriffen und konnte meine Karriere starten.

Ich durchwanderte die Schülermannschaften der Zehn- bis Zwölfjährigen und der 13- bis 14-Jährigen und das Jugend-Team, 15 und 16 Jahre alt. Schließlich stieg ich bei den 17- bis 18-jährigen Junioren ein und landete nun bei den Aktiven ab 18. Ich kann nur sagen, es war eine schöne Zeit und wird auch bestimmt weiterhin so bleiben.

Im Moment spielen wir in der Verbandsliga beim 1. Reutlinger Rad- und Motorsportclub. Aber in meinen kühnsten Träumen nehme ich schon an den Weltmeisterschaften teil. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg durch die Ober- sowie die 2. und 1. Bundesliga. Die Spielzeit in der Bezirksliga haben wir mit Bravour gemeistert, sogar den Meistertitel haben wir uns letzte Saison als Vierer-Gespann erkämpft.

Jeden Mittwoch von 18 bis 21 Uhr werde ich aus meiner dunklen Garage geholt, und gemeinsam üben wir Standübungen und spielen anschließend mannschaftsinterne Übungs-Spiele mit den Originalspielzeiten von zwei Minuten und sieben Sekunden. Puh, aber nach drei Stunden Training bin ich dann mindestens genauso erschöpft wie mein Menschenfreund, so dass ich müde in meine Garage rolle und sage: »Gute Nacht Volker, bis nächste Woche.«

Die Tür fällt ins Schloss und die allabendliche Gutenachtgeschichte zur angeblichen Entstehung des Radballs kommt mir in den Sinn: »Eines Tages«, erinnert sich Nikolas Edward, der berühmteste Kunstradfahrer vor der Jahrhundertwende, »lief mir ein kleiner Hund vor das Rad. Rasch hob ich das Vorderrad und beförderte damit den Mops so sanft es ging aus dem Weg - mich vor einem Sturz rettend, das Tier vor Verletzungen.« Wer die bisher nur wenig bekannte Sportart Radball näher kennen lernen möchte, kann sich im Internet darüber informieren. (ZmS)



Carolin Herzberg und Katharina Wolf, Freie Georgenschule, Klasse 10