Warum die Stadtbahn eine gute Idee war, es aber heute nicht mehr ist? Wenn man nüchtern die Vor- und Nachteile einer Stadtbahn betrachtet, kommen einem doch Zweifel, ob der Neubau einer Bahn, die voraussichtlich erst in 10 Jahren fährt, noch Sinn macht?
Die größten Vorteile einer Bahn sind: eine eigene Infrastruktur, sprich Gleise und damit weniger oder gar keine Staus; deutlich weniger Personaleinsatz als bei Bussen, weil ein Fahrer Hunderte von Fahrgästen mitnehmen kann; sauberer Antrieb, weil mit Strom aus der Oberleitung; angenehmes Fahren, weil keine Schlaglöcher und keine engen Kurven.
Die größten Nachteile: Die Route ist auf Gleise beschränkt, kann also nur wenige Punkte in der Stadt anfahren; hohe Anfangsinvestition für die Gleise, Oberleitungen, Haltestellen und Züge; in den Nebenzeiten fahren immer noch große Züge mit wenigen Passagieren; Eisenräder auf Eisenschienen können auch mal Lärm machen, warum sie jeder in der Nähe, aber keiner vor der Haustüre haben will; Oberleitung verschandeln das Stadtbild und die Masten nehmen Platz weg, vor allem bei der Innenstadttrasse.
Wie im GEA vom 7. Oktober stand, zeichnen sich aber doch schon ganz neue Möglichkeiten für den öffentlichen Nahverkehr in Form von autonomen Quartiersbussen ab. Der aktuelle Planungsstand der Stadtbahn beruht noch auf dem Stand der Technik von vor 15 Jahren und lässt die neuen Möglichkeiten völlig außer Acht, und das, obwohl die Bahn erst in 10 Jahren ihren Betrieb aufnehmen soll. Hier wird aus meiner Sicht wertvolles Einsparpotenzial einfach nicht betrachtet. Das ist natürlich bei so neuen Technologien nicht so einfach, aber bevor man so viel Geld ausgibt, wäre es doch sinnvoll, die neuen Möglichkeiten genau zu betrachten.
Man könnte ja mit so renommierten Firmen wie VW oder ZF in Kontakt treten und prüfen, ob es hier nicht auch eine Modellstrecke entstehen kann und wir vor Ort Erfahrungen sammeln können. Jetzt haben wir schon so lange auf die Stadtbahn gewartet, da kann und sollte man das Konzept auf jeden Fall auf den aktuellen Stand bringen und nicht einfach den veralteten Ansatz durchziehen.
Aus meiner Sicht bieten die autonomen Quartiersbusse viel mehr Vorteile als eine Bahn: kaum Personaleinsatz, weil autonom unterwegs; ebenfalls elektrisch angetrieben und kann sogar nachts netzdienlich aufgeladen werden; Kapazitäten und Routen können sehr flexibel an den Bedarf angepasst werden, gerade in Nebenzeiten sind sogar individuelle Routen bis vor die Haustür denkbar, was die Akzeptanz erhöht; Einsatz 24/7 möglich, dadurch auch höhere Verlässlichkeit und Akzeptanz; leise, vor allem beim Innenstadttempo mit maximal 50 km/h; außer Parkplätzen und Ladestationen keine neue Infrastruktur notwendig und damit auch weniger Baumaßnahmen und Natureingriffe; keine Oberleitung in der Stadt; deutlich geringere Investition, vor allem auch skalierbar Nachteile; bei Staus auf der Straße sind auch die autonomen Busse betroffen, mit Busspuren könnten sie aber Vorrang bekommen. Im GEA stand, dass sich der Verkehr erhöhen würde, aber wenn man es schafft, gerade in den Stoßzeiten vier oder mehr Fahrgäste mit einem Fahrzeug zu befördern, würde sich die Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße deutlich reduzieren lassen. Neue Technik – aber nach Aussagen der Anbieter wie VW oder ZF bis 2035 (Start der Stadtbahn) auch voll einsatzfähig.
Fazit – einfach so weiter zu machen, bedeutet viel mehr Geld für viel weniger Flexibilität auszugeben – aus meiner Sicht eine vertane Chance.
Hartmut Wayand, Pfullingen
