Ohne auf die in zahlreichen Leserbriefen aufgeführten Argumente und Studien pro und contra Ausbau der Windenergie einzugehen – es lassen sich für alles Studien (ob wissenschaftlich haltbar oder nicht) heranziehen –, stellt sich für mich zu aller erst die Frage nach den Alternativen zum Ausbau der Erneuerbaren.
Auch wenn man die Gefahren der Klimaerwärmung als eher gering einschätzt oder leugnet, wie es aktuell leider noch immer viele tun, und die CO2-Emissionen nicht in die Bewertung einbezieht: Wollen wir weiter Kraftwerke betreiben mit Kohle, unter anderem aus Südamerika? Der Import von Kohle aus Ländern mit fragwürdigen Arbeitsbedingungen und Umweltstandards ist ethisch kaum vertretbar. Wollen wir uns mit dem Einkauf von Gas, Kohle, Uran weiter abhängig und erpressbar machen von Autokraten, Diktatoren et cetera? Weiter auf Atomenergie mit einer ungeklärten Entsorgungssituation setzen? Kernkraft natürlich, aber das Endlager ja nicht bei uns. Und auch wenn Fusionsreaktoren erfolgsversprechend erscheinen, sie sind frühestens ab 2050 einsatzbereit. Für die Energiewende, die jetzt stattfinden muss, sind sie keine Lösung. Nein, für mich stellt der Ausbau der Erneuerbaren die einzig sinnvolle Möglichkeit für unser Land dar. Probleme, die es ohne Frage auch gibt (Netzausbau, Recycling der Windkraftwerke, weitere Reduzierung von Lärmemissionen, Speicherung des Überschussstromes …) lassen sich lösen. Dies sind keine unüberwindbaren Hindernisse, sondern Aufgaben für Ingenieure, Politik und Gesellschaft. Deutschland hat das Know-how und die Innovationskraft, diese Probleme zu meistern.
Und wenn ich die Aussage lese, Windkraft ja, jedoch nicht in unserer intakten Natur, finde ich das sehr anmaßend, wie wenn in anderen Teilen Deutschlands die Natur nicht intakt und schützenswert wäre. Und die Aussage ignoriert, dass Klimaschutz selbst Naturschutz ist. Die sogenannte intakte Natur wird durch den Klimawandel massiv bedroht, Windräder sind da das kleinere Übel. Und natürlich gibt es in Deutschland windreichere Standorte als hier bei uns. Aber nachdem wir den Ausbau der letzten Jahre anderen Regionen überlassen haben, ist es ein Zeichen von Solidarität, auch bei uns einen, wenn auch kleineren Beitrag, dazu zu leisten. Der Süden Deutschlands verbraucht den meisten Strom, also sollte er mit zur Erzeugung beitragen.
Ein Deutschland mit unterschiedlichen Strompreiszonen, das heißt, wo viel Strom erzeugt wird, sinken die Strompreise, und bei uns würden sie erhöht, da möchte ich mal den Aufschrei im Süden hören. Und wenn die Auswirkungen des Klimawandels viele von uns nicht mehr allzu stark betreffen dürften, denkt auch an eure Kinder und Enkelkinder. Die Energiewende ist nicht nur eine technische oder wirtschaftliche Frage – sie ist eine ethische Verpflichtung gegenüber der Zukunft.
Horst Jägel, Reutlingen
